Afilio Geschichten

„Die Angst ist ständig da“

Bernhard Siebertz
Bei Afilio Geschichten stellen wir Menschen vor, die selbst erlebt haben, wie wichtig das Thema Vorsorge ist. Unser Nutzer Bernhard Siebertz hat uns erzählt, wie er bei seinem Herzinfarkt Glück im Unglück hatte und warum er heute selbst seinen Kunden dazu rät, mit einer Patienten­verfügung und Vorsorge­vollmacht vorzusorgen.
Bernhard Siebertz

August 2019, ein Bettengeschäft in Overath bei Köln: Bernhard Siebertz und seine Frau haben eine Menge zu tun, denn sie möchten ihren Laden umbauen – in Eigenregie mit Unterstützung einer externen Firma. Täglich fährt Siebertz in den Laden und koordiniert den Räumungsverkauf, der vor dem Umbau stattfinden muss. Es ist eine anstrengende Zeit für den 72-Jährigen, der eigentlich schon im Ruhestand ist. Das Schlafstudio hat er seiner Frau 2011 überschrieben – seitdem ist er normalerweise nur noch 20 bis 25 Stunden im Geschäft. Doch durch den anstehenden Umbau ist allerhand zu tun und er deutlich mehr eingespannt als üblich.

„Dabei merkte ich immer, dass ich vor allem tagsüber so ein leichtes Brennen im Brustbereich hatte“, erzählt er. Der Stress, schlussfolgert er, vorerst kein Grund zur Sorge. Doch das Brennen wird von Tag zu Tag schlimmer. „Ich habe dann immer mal wieder, ohne dass es einer sah, die Brust kalt abgewaschen.“ Das verschafft ihm allerdings nur kurzzeitig Linderung, sodass er auch zuhause seine Brust mit kaltem Wasser abspült. Als seine Frau bemerkt, dass etwas nicht stimmt, bittet sie ihn zum Arzt zu gehen. „Ich habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht, dass ich irgendwas am Herzen haben könnte. Aber das Brennen wurde immer stärker und das hat mich dann auch etwas beunruhigt“, erinnert er sich.

„Der Arzt machte ein EKG und damit war er nicht zufrieden.“

Nach einem Anruf bei seinem Hausarzt fährt er am nächsten Tag in die Praxis. Das erste EKG beunruhigt den behandelnden Internisten. Er bittet Bernhard Siebertz am Folgetag zu einem Belastungs-EKG wiederzukommen. „Das Belastungs-EKG wurde im Beisein des Arztes begonnen. Er hat dann aber entschieden, das abzubrechen mit dem Vermerk ‚Das gefällt mir nicht, ich überweise Sie in ein Kranken­haus.‘“ Mit der Überweisung in der Hand fährt Bernhard Siebertz jedoch zuerst einmal zurück ins Geschäft seiner Frau – wie dringend der Besuch in einer Klinik sein könnte, ist ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. „Ich bin nicht auf die Idee gekommen, sofort ins Kranken­haus zu fahren“, sagt er. Also arbeitet er weiter im Bettengeschäft und macht sich erst am nächsten Tag in Begleitung seiner Frau auf den Weg in die Klinik nach Bergisch-Gladbach. Als das Paar dort ankommt, ist das Kranken­hauspersonal sofort in heller Aufregung. Niemand kann glauben, dass Bernhard Siebertz noch so entspannt vor ihnen steht und sogar selbst ins Kranken­haus gefahren ist. „Die Leute dort haben direkt gesagt: ‚Wo kommen Sie denn jetzt her? Kommen Sie ohne Kranken­wagen hier an? Sie hatten ja einen Herzinfarkt.‘“

Seine Frau und er haben keine Zeit, den Schock zu verdauen. Der 72-Jährige wird sofort stationär aufgenommen. „Dann habe ich natürlich auch die Untersuchungen über mich ergehen lassen“, erzählt er. Schnell wird klar: Er muss dringend operiert werden. Doch Herz-Operationen werden in diesem Klinikum nicht durchgeführt und er muss in eine Spezialabteilung der Uniklinik in Köln verlegt werden. Am folgenden Montag fährt er mit dem Kranken­wagen nach Köln, einen Tag später folgt direkt die erste Operation. Die Ärzte müssen insgesamt drei Bypässe vornehmen und verlegen ihn im Anschluss an die Operation auf die Intensivstation. Fünf Tage liegt Bernhard Siebertz wieder auf dem Operationstisch und bekommt einen Herzschrittmacher implantiert. Im Gegensatz zu anderen Patienten in dieser Situation, ist er aber glücklicherweise in guter Verfassung: „Ich war trotz allem noch topfit, muss ich sagen. Ich wundere mich immer sehr, dass das noch so gegangen ist.“ Er ist die ganze Zeit bei Bewusstsein, kann Besuch von seiner Frau und seinem Sohn empfangen. Und noch viel wichtiger: Er kann selbst seine Einwilligung zu Behandlungen erteilen oder sie ablehnen – ein Segen in dieser Situation, denn eine Patienten­verfügung oder eine gültige Vorsorge­vollmacht hat er nicht. Hätte er sich selbst nicht mehr äußern können, hätte ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden müssen, der über die medizinische Behandlung und damit über sein Leben entscheidet. Seien Angehörigen hätten ohne eine gültige Vorsorge­vollmacht nichts entscheiden dürfen.

„Ja ich hatte natürlich so handgeschriebene Zettel. Aber ob das rechtswirksam gewesen wäre, das weiß ich nicht.“

Bernhard Siebertz

Dabei ist das Thema Vorsorge Bernhard Siebertz nicht einmal fremd. Er hat handschriftlich festgehalten, dass er keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte und seine Frau für ihn entscheiden soll, wenn er selbst nicht mehr dazu in der Lage ist. Ob diese Festlegungen im Zweifel auch wirksam sind, weiß er allerdings nicht. Heute ist ihm klar, dass essenzielle Festlegungen in diesen Dokumenten gefehlt haben. „Wir hatten keine Vollmachten für den Fall, dass meine Frau gar nicht mehr entscheiden kann, z. B. weil sie auch erkrankt ist. Dann müsste man auch eine zweite Person benennen.“ Als er im Kranken­haus liegt, denkt er jedoch keine Minute an die vermutlich ungültigen Vorsorge­dokumente – zu groß ist der Schock über den plötzlichen Herzinfarkt. „Ich habe medizinisch nie ein Problem gehabt. Ich habe irgendwann mal eine Knieoperation durch den Fußball gehabt und später eine Blinddarm-Operation. Aber ansonsten bin ich Jahrzehnte schmerzfrei.“

Die Operationen am Herzen verlaufen glücklicherweise gut. Bernhard Siebertz kann am 11. September für drei Wochen in die Reha. Doch dort entdeckt er ein Hämatom am rechten Unterschenkel, aus dem die Venen für die drei Bypässe entnommen wurden. „Das ging nicht mehr weg. Ich bin also wegen dieses Hämatoms dann auf Anraten einer Ärztin hier zuhause am 10. Oktober wieder operiert worden in Köln mit Vollnarkose, weil sich da eine Verkeimung gebildet hatte.“ Lange 14 Wochen hat er mit diesem Problem zu kämpfen. Doch schlussendlich erholt sich auch sein Bein. Er kann wieder Kunden im Bettengeschäft seiner Frau beraten, wandern gehen und sich endlich um rechtssichere Vorsorge­dokumente kümmern.

„Man sagt sich: Ach das mache ich dann nächste Woche.“

Als er aus der Reha kommt, sprechen seine Frau und er immer wieder darüber, wie wichtig eine Patienten­verfügung und eine Vorsorge­vollmacht wären. Beiden ist klar, dass sie das Thema angehen müssen. Bernhard Siebertz sucht Rat bei Freunden. „Der eine sagt ‚Ja such Dir einen Rechtsanwalt‘, der Zweite sagt Dir ‚Such Dir einen Notar‘ und der Dritte sagt ‚Ich gebe Dir mal meine Papiere, zum Lesen, zum Studieren‘. Aber es ist wie bei allen Dingen: Es wird dann wiederum verschoben und wiederum verschoben.“. Erst im Wanderurlaub Anfang 2020 fasst er den Entschluss, das Thema endlich anzugehen und eine Patienten­verfügung zu erstellen. Denn die Angst wandert die ganze Zeit mit. „Die Angst ist ja ständig da. Wenn Sie einen Herzschrittmacher haben, dann haben Sie ja noch nicht das Gefühl, das ist jetzt für die nächsten zehn Jahre okay. Der Herzschrittmacher ist ja nicht dafür da, mir zu garantieren, dass ich keinen neuen Infarkt bekomme." Die Sorge um sein Herz lässt ihn bei den ausgedehnten Wanderungen mit seiner Frau nicht los. Immer wieder fragt er sich, ob er sein Herz nicht zu sehr belastet – besonders bei der Höhenwanderung. „Wenn man dann mit einer Seilbahn auf einen Berg fährt auf 2500 Meter, dann denkt man: ‚Ist das jetzt richtig? Kann da trotzdem was passieren mit dem Herzen?‘ Das war genau sechs Monate nach der Herz-OP und dann fängt man an zu überlegen, ‚Machst Du das richtig?‘“ Er fasst einen Entschluss: Nach dem Urlaub kümmert er sich um seine Vorsorge.

„Ich habe auch jetzt die Sorge nicht mehr, weil ich ja die Afilio Notfallkarte mit mir herumtrage.“

Heute besitzt er eine rechtssichere Patienten­verfügung und eine Vorsorge­vollmacht für den Ernstfall. Seine Frau hat eine Notfallkarte in der Tasche, ebenso sein Sohn – beide haben so im Notfall Zugriff auf die Vorsorge­dokumente von Bernhard Siebertz. Alle wichtigen Dokumente befinden sich in einem speziellen Notfallordner bei ihm zuhause. Doch die Vorsorge für ihn allein reicht ihm nicht aus. Er möchte auch seine Frau und seine Kinder davon überzeugen, entsprechende Vorsorge­dokumente zu erstellen. „Natürlich rate ich auch den Kindern dazu. Ich führe, wenn ich dazu komme, auch im Kundengespräch immer mal an, wie wichtig das ist. Ich sage jedem Kunden, dass ich vor eineinhalb Jahren diesen Infarkt hatte und, dass es mir damals ganz schlecht ging. Und dass ich Gott sei Dank wieder fit bin, dass ich auch wieder im Laden stehen kann, stundenweise.“ Die Resonanz auf seinen Hinweis zur Vorsorge, ist allerdings durchwachsen. „Entweder sagen die alle ‚Ja, haben wir auch gemacht‘ oder ‚Ja haben wir auch geplant‘. Aber da will keiner konkret mit einem Fremden drüber sprechen“. Trotzdem spricht er Menschen immer wieder darauf an, da er weiß, wie schnell es gehen kann, dass solche Dokumente wichtig werden. Er selbst habe nur Glück im Unglück gehabt und sie nicht gebraucht. „Man sagt im Nachhinein immer: ‚Hätte ich doch!‘“