Vermächtnis: Einzelstücke vererben

von Afilio
25.02.2021 (aktualisiert: 25.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Während der Erbe als Rechtsnachfolger in die Fußstapfen des Erblassers tritt, erlangt der Vermächtnisnehmer nur einzelne Gegenstände aus dem Erblass.
  • Gemäß Erbrecht wird ein Vermächtnis als eine einzelne Zuwendung verstanden, die im Zuge eines Testaments oder Erbvertrags entsteht.
  • Das Vermächtnis ist nicht gleichzusetzen mit dem Vorausvermächtnis, bei dem Vermächtnisnehmer auch gleichzeitig Erben sind. Das Vorausvermächtnis dient meist dazu, einzelnen Erben einen Vorteil gegenüber anderen Erben zu verschaffen.

Auch wenn „vererben“ und „vermachen“ im allgemeinen Sprachgebrauch gerne synonym verwendet werden, haben Vermächtnis und Erbschaft aus rechtlicher Sicht keineswegs die gleiche Stellung. Vermächtnisnehmer und Erben haben nämlich weder die gleichen Rechte noch die gleichen Pflichten.

Während der Erbe als sogenannter Rechtsnachfolger in die Fußstapfen des Erblassers tritt und somit alle Forderungen und Rechte aus dem Nachlass übernimmt, erlangt der Vermächtnisnehmer nur einen einzelnen Gegenstand aus der Erbmasse, dessen Herausgabe er vom sogenannten Beschwerten verlangen kann (Leistungsforderungsrecht). Beschwerter ist in den meisten Fällen der Erbe oder ein anderer Vermächtnisnehmer. Bei dem vermachten Gegenstand kann es sich beispielsweise um eine Halskette oder ein Grundstück handeln. Erben übernehmen ebenfalls die Schulden eines Erblassers, Vermächtnisnehmer nicht: Ein Vermächtnisnehmer tritt in einem Testament ausschließlich als Begünstigter auf. Vermächtnisnehmer sind auch kein Bestandteil einer Erben­gemeinschaft und müssen sich deshalb weder um Nachlass­verwaltung noch um Erbaufteilung kümmern.

Welche Bedeutung hat das Vermächtnis im Erbrecht?

Gemäß Erbrecht wird ein Vermächtnis als eine einzelne Zuwendung verstanden, die im Zuge eines Testaments oder Erbvertrags entsteht und separat als solche ausgewiesen werden muss. Bei der Zuwendung kann es sich um einen Gegenstand oder einen Vermögensvorteil handeln, der durch die ausdrückliche Erklärung des Erblassers aus dem Erbe ausgelöst und an den Vermächtnisnehmer vermacht wird, ohne dass dieser Erbe ist.

Vermächtnis ist immer Bestandteil eines Testaments oder Erbvertrags

Schmuck in einer Schatulle als Vermächtnis
Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung einzelner Erbgegenstände, wie beispielsweise Schmuck.

Der Nachlass eines verstorbenen kann entweder direkt vererbt oder als Vermächtnis übertragen (“vermacht”) werden. Deklariert ein Erblasser einzelne Vermögenswerte seines Nachlass­es als Vermächtnis, so wird der Vermächtnisnehmer zwar weder zum Erben (§ 1939 BGB) noch zum Eigentümer; er kann allerdings das Vermächtnis vom Erben oder der Erben­gemeinschaft einfordern (§ 2174 BGB). Alle Erben sind dann verpflichtet, dem Begünstigten die ihm vermachten Gegenstände oder Geldbeträge zukommen zu lassen. Er benötigt dafür keinen Erbschein. Ein Vermächtnis ist stets Bestandteil eines Testaments oder Erbvertrages und kann nicht separat aufgesetzt werden.

Wichtig: Vermächtnisnehmer sind zwar keine Erben, Erbschaftssteuer müssen sie jedoch ebenfalls abführen!

Wann wird ein Vermächtnis fällig?

Das Vermächtnis wird in der Regel mit dem Tod des Erblassers fällig (§ 2176 BGB) – die Fälligkeit ist unabhängig von der Annahme der Erbschaft durch die eigentlichen Erben. Vermächtnisnehmer, die in einer letztwilligen Verfügung bedacht werden, erhalten vom Nachlass­gericht eine Mitteilung über das ihnen zugedachte Vermächtnis. Das Nachlass­gericht fügt eine Kopie des entsprechenden Abschnitts aus Testament oder Erbvertrag bei – diese Kopie reicht aus, um bei den Erben das Vermächtnis einzufordern.

Vermächtnis vs. Pflichtteil

Wenn der Erblasser einen Erben vom Erbe ausschließen will, ist das Vermächtnis kein gangbarer Weg, denn auch ein enterbter direkter Angehöriger der gesetzlichen Erbfolge hat einen gültigen Pflichtteils­anspruch, sofern keine zwingenden Gründe dagegen sprechen. Der Pflichtteil ist immer die Hälfte dessen, was der Erbe im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge bekommen hätte. Häufig versuchen Unternehmenseigner, ihr Unternehmen einem Einzelerben zu übertragen, damit keine Erben­gemeinschaft entsteht, die das Unternehmen zur Auszahlung aufteilt. Die restlichen Miterben sollen dabei in Form von Vermächtnissen kompensiert werden. Diese Regelung wird häufig gewählt, wenn keine Unternehmens­nachfolge zu Lebzeiten geregelt wurde. Allerdings besteht hier häufig das Risiko, dass der Wert des Vermächtnisses geringer als der den Erben zustehende Pflichtteil ist - in diesem Fall muss das Unternehmen in jedem Fall veräußert werden, um die Pflichtteile aller Erben zu bedienen. Eine entsprechende Regelung sollte darum immer von Fachleuten begleitet werden.

Soll das Vermächtnis dazu dienen, den Pflichtteil zu ersetzen, kann der Enterbte auch nach wie vor von seinem Wahlrecht Gebrauch machen: Entweder er nimmt das Vermächtnis an und fordert die Differenz zwischen Vermächtnis und Pflichtteil von der Erben­gemeinschaft ein, oder er schlägt das Vermächtnis aus und macht erneut sein Pflichtteil geltend.

Wann verjährt ein Vermächtnis?

Für Vermächtnisse gilt die Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) – der Vermächtnisnehmer sollte also vor Ablauf der drei Jahre seinen Anspruch auf den Nachlass geltend machen. Nach Ablauf der Frist kann der Beschwerte mit Hinweis auf die Verjährung die Herausgabe des Vermächtnisses verweigern. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch auf das Vermächtnis begonnen und der Vermächtnisnehmer von seinem Anspruch erfahren hat (§ 199 BGB).

Übrigens: Bei vermachten Grundstücken gilt eine verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 196 BGB).

Vermächtnis: Beispielfall

Ein Erblasser besitzt zwei Häuser in Hamburg und Hannover. In seinem Testament setzt er seine Tochter als Alleinerbin ein, das Haus in Hamburg jedoch vermacht(!) er seinem Sohn. Die Tochter wird damit nach dem Tod des Vaters zunächst Eigentümerin beider Häuser, muss jedoch zur Erfüllung des Vermächtnisses das Haus in Hamburg an ihren Bruder übertragen, der mit dem Erbe einen Anspruch auf Eigentumsübertragung erwirbt. Der Sohn wird aber erst mit Eintragung in das Grundbuch zum Eigentümer des Hamburger Hauses, nicht bereits beim Erbfall.

Quellen

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