MEDICPROOF: Der medizinische Dienst der PKV

von Christina Horst
14.07.2020 (aktualisiert: 25.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • MEDICPROOF ist der medizinische Dienst der Privaten Kranken­versicherung. Ob Privatversicherte einen Pflege­grad und somit Anspruch auf Leistungen der privaten Pflege­versicherung erhalten, hängt vom MEDICPROOF-Gutachten ab.
  • Der MEDICPROOF-Gutachter bewertet bei einem Hausbesuch die Selbstständigkeit des Antragstellers nach gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien. Je nach Gesamtpunktzahl wird ein Pflege­grad anerkannt oder der Antrag abgelehnt.

MEDICPROOF-Gutachten zur Feststellung von Pflege­bedürfigkeit

Die MEDICPROOF GmbH ist ein Tochterunternehmen des Verbandes der Privaten Kranken­versicherung e. V., kurz PKV-Verband. Die Gutachter von MEDICPROOF prüfen für 42 private Kranken­versicherungsunternehmen, die eine Pflege­pflicht­versicherung anbieten, sowie für die Postbeamtenkrankenkasse und die Kranken­versorgung der Bundesbahnbeamten, ob bei einem Versicherten eine Pflege­bedürftigkeit vorliegt und in welchem Ausmaß. Bei gesetzlich Versicherten übernimmt diese Aufgabe der Medizinische Dienst der Kranken­versicherung, MDK.

Beantragt eine privat versicherte Person erstmalig einen Pflege­grad oder möchte sie ihren Pflege­grad erhöhen, beauftragt das Versicherungsunternehmen MEDICPROOF mit der Erstellung eines Pflege­gutachtens. Der Termin, bei dem der Gutachter die Selbstständigkeit des Betroffenen in sechs für eine Pflege­bedürftigkeit maßgeblichen Lebensbereichen begutachtet, findet im Wohnbereich des Antragstellers statt. Die Bewertungskriterien des MEDICPROOF-Gutachtens sind gesetzlich vorgeschrieben; es sind dieselben wie beim MDK-Gutachten. Anwesend sind neben dem MEDICPROOF-Gutachter und dem Versicherten ggf. auch Pflege­personen und/oder ein Pflege­berater. MEDICPROOF leitet das Gutachten an den Anbieter der privaten Pflege­versicherung weiter. Dieser kann je nach Empfehlung des Gutachters den Pflege­gradantrag des Versicherten ablehnen oder einen der fünf Pflege­grade anerkennen. Den entsprechenden Bescheid erhält der Betroffene von seinem Versicherer.

MEDICPROOF-Begutachtungsrichtlinien

Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Versicherungsnehmer in der privaten Pflege­versicherung denselben Schutz genießen müssen wie gesetzlich Versicherte – anders als bei der privaten Kranken­versicherung, in der Versicherte die Leistungen frei wählen können. Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe liegen dem MEDICPROOF-Gutachten dieselben Begutachtungsrichtlinien zugrunde, die auch der medizinische Dienst der gesetzlichen Kranken­versicherung anwendet. Es gelten außerdem dieselben Fristen, z. B. bei der Terminvereinbarung. MEDICPROOF-Gutachten sind zudem hinsichtlich des Inhalts und der Gliederung dem „Formulargutachten zur Feststellung der Pflege­bedürftigkeit gemäß SGB XI“ angeglichen, das der MDK verwendet.

Das gesetzlich vorgeschriebene Instrument zur Feststellung von Pflege­bedürftigkeit ist das Neue Begutachtungs­assessment (NBA). Es wurde im Rahmen einer umfassenden Reform der Pflege­versicherung Anfang 2017 eingeführt und bezieht sich auf den neuen Pflege­bedürftigkeitsbegriff, der Kernpunkt der Reform war. Maßgeblich für das Vorliegen einer Pflege­bedürftigkeit sind laut Elftem Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) dauerhafte „gesundheitlich bedingte Beeinträch­tigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten“ (§ 14 SGB XI) in folgenden sechs Lebensbereichen:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Diese sechs Lebensbereiche sind in den sechs Modulen des NBA abgebildet, die wiederum in einzelne Kriterien gegliedert sind. Die Gesamtpunktzahl, die der Antragsteller beim NBA erreicht, entscheidet darüber, ob eine Pflege­bedürftigkeit gemäß SGB XI vorliegt und in welchen Pflege­grad er einzuordnen ist.

Info: Sie möchten noch mehr zu den wichtigsten Gesetzen rund um das Thema Pflege erfahren? In unserem Beitrag Gesetze zur Pflege: Die rechtlichen Grundlagen haben wir alle wichtigen Paragraphen zusammengestellt.

MEDICPROOF-Gutachter

Gutachter und Antragsteller bei der Pflegebegutachtung
MEDICPROOF-Gutachten werden nach denselben gesetzlichen Vorgaben erstellt wie die des MDK: Ausschlaggebend ist das 2017 eingeführte Neue Begutachtungs­assessment.

Laut MEDICPROOF arbeiten rund 1.100 Ärzte und Pflege­fachkräfte als freiberufliche Gutachter für das Tochterunternehmen des PKV-Verbands und erstellen über 200.000 Pflege­gutachten pro Jahr.

Nachdem der Gutachter den Auftrag für die Pflege­begutachtung von der MEDICPROOF-Zentrale erhält, nimmt er Kontakt zum Versicherten auf und vereinbart den Termin für den Hausbesuch. Da die Gutachter anders als beim MDK nicht festangestellt sind, sind sie in der Regel flexibler bei der Terminvergabe und können den Hausbesuch z. B. auch abends oder am Wochenende machen. Wenn der Gutachter Defizite in der häuslichen Pflege des Betroffenen feststellt – z. B. die Entwicklung eines Dekubitus oder die Überforderung der Familie bei Demenz – kann er eine pflegefachliche Stellungnahme anfordern. In diesem Fall besucht eine Pflege­fachkraft den Antragsteller und seine pflegenden Angehörigen und unterbreitet Vorschläge zur Verbesserung der Pflege­situation. So können Angehörige z. B. einen Pflege­kurs von MEDICPROOF in Anspruch nehmen. Die Einschätzung des freiberuflichen Gutachters wird von MEDICPROOF an die Pflege­kasse des Versicherten weitergeleitet, die ihm entweder einen Pflege­grad zuweist oder den Antrag ablehnt.

Mitglieder der Privaten Kranken­versicherung machen bei dem Begutachtungsprozess nach Angaben von MEDICPROOF vorwiegend positive Erfahrungen: 2019 erhielt das Unternehmen bei einer bundesweiten Befragung unter den Versicherten durchschnittlich die Schulnote 1,9.

Begutachtung durch MEDICPROOF: Antrag auf Pflege­grad stellen

Wer als Privatversicherter einen Pflege­grad beantragen möchte, stellt dazu zunächst einen formlosen Antrag auf Pflege­leistungen beim Anbieter der privaten Pflege­versicherung. Soll der Pflege­grad für einen Angehörigen beantragt werden, ist dazu eine Vorsorge­vollmacht oder eine Betreuungs­verfügung notwendig. Das Versicherungsunternehmen versendet nach Eingang des formlosen Antrags ein Formular, das der Antragsteller bzw. ein Bevollmächtigter oder Betreuer ausgefüllt zurücksendet. Im Anschluss setzt sich ein MEDICPROOF-Gutachter mit dem Betroffenen in Verbindung, um einen Termin für den Hausbesuch zu vereinbaren. Antragsteller sollten sich auf den Besuch gut vorbereiten, um ihre Chance auf einen Pflege­grad zu erhöhen – z. B., indem sie ein Pflege­tagebuch bzw. Pflege­protokoll vorlegen.

Plötzlich pflegebedürftig? Eileinstufung durch MEDICPROOF

Liegt ein Eilantrag auf Pflege­grad von einem Patienten im Kranken­haus vor, z. B. nach einem Arbeitsunfall oder Sportunfall, so entscheidet MEDICPROOF zunächst nach Aktenlage und erteilt ggf. einen vorläufigen Pflege­grad. Die Begutachtung erfolgt erst, wenn der Betroffene wieder zu Hause bzw. im Pflege­heim ist. Wird dabei ein geringerer als der vorläufige Pflege­grad festgestellt, muss der Versicherte nichts zurückzahlen. Anders ist das Prozedere beim MDK: Dieser führt bei Eilanträgen die Begutachtung direkt im Kranken­haus durch.

Pflege­grad abgelehnt nach MEDICPROOF-Gutachten: Widerspruch einlegen

2019 wurde laut MEDICPROOF bei neun Prozent der Erstgutachten der Pflege­gradantrag von dem privaten Anbieter der Pflege­versicherung abgelehnt. Erhält ein Versicherter einen entsprechenden Bescheid, kann er dagegen Einspruch erheben. Den detailliert begründeten Widerspruch muss er an das Versicherungsunternehmen richten, sich jedoch ausdrücklich auf den Inhalt des MEDICPROOF-Gutachtens beziehen.

Tipp: Pflege­grad abgelehnt? Legen Sie Widerspruch mit unserer Vorlage ein!

Quellen

Medicproof18.11.2021
PKV: Medicproof18.11.2021

Christina Horst

Christina Horst war bis Januar 2021 Content Managerin bei Afilio und schrieb vor allem über Vorsorge­themen wie die Patienten­verfügung und die Vorsorge­vollmacht. Zuvor war sie als Online-Redakteurin und Lektorin in Unternehmen und Agenturen sowie als freie Journalistin tätig.

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