Gesetze zur Pflege: Die rechtlichen Grundlagen

von Johannes Kuhnert
02.10.2019 (aktualisiert: 06.01.2022)

Pflege­gesetze und Pflege­recht: Die wichtigsten Grundlagen

Seit der Einführung der gesetzlichen Pflege­versicherung im Jahr 1995 ist ein komplexes Regelwerk aus Änderungsgesetzen, Verordnungen und Anpassungen entstanden. Wir erklären die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen.

SGB XI: Rechtsgrundlage der Pflege

Wer pflegebedürftig ist, hat Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflege­versicherung. Die Rechtsgrundlage für alle Leistungen der sozialen Pflege­kassen ist im Elften Buch Sozialgesetzbuch oder kurz SGB XI geregelt. Das SGB XI enthält alle Vorschriften für die soziale Pflege­versicherung in Deutschland. Es umfasst Rechte und Pflichten von Versicherten, Angehörigen, ambulantem und stationärem Pflege­personal, allen zugehörigen Einrichtungen und den Pflege­kassen.

Die wichtigsten Paragraphen stellen wir an dieser Stelle vor:

  • § 14: Begriff der Pflege­bedürftigkeit

    Hier wird erklärt, wer überhaupt Leistungen der Pflege­versicherung in Anspruch nehmen darf, und zwar über die Definition der Pflege­bedürftigkeit. Sie ist gegeben bei „Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträch­tigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen“. Maßgeblich für die Feststellung der Pflege­bedürftigkeit sind die sechs Teilbereiche Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen und Gestaltung des Alltagslebens.

    Diese Punkte finden vor allem im Neuen Begutachtungs­assessment (NBA) durch den MDK zur Feststellung der Pflege­bedürftigkeit Anwendung.

  • § 36: Pflege­sachleistung

    Mit § 36 SGB XI regelt der Gesetzgeber die sogenannten „Pflege­sachleistungen“. Bei den Pflege­sachleistungen handelt es sich um finanzielle Aufwendungen, die von Betroffenen ab Pflege­grad 2 für die Betreuung durch professionelles Pflege­personal im häuslichen Umfeld nutzen können.

  • § 37: Pflege­geld

    Das Pflege­geld, wie es in § 37 SGB XI festgehalten ist, wird direkt an den Betroffenen ausgezahlt, um die Pflege durch Angehörige oder Ehrenamtliche zu realisieren. Genau wie die Pflege­sachleistungen steht das Pflege­geld nur Betroffenen ab Pflege­grad 2 bis Pflege­grad 5 offen. Des Weiteren regelt § 37, dass Pflege­bedürftige, die Pflege­geld in Anspruch nehmen, und ihre pflegenden Angehörigen dazu verpflichtet sind, in regelmäßigen Abständen eine Pflege­beratung wahrzunehmen.

  • § 38 Kombination von Geldleistung und Sachleistung (Kombinationsleistung / Kombileistung)

    Mit § 38 SGB XI hat der Gesetzgeber Vorsorge für den häufigen Fall getroffen, dass Betroffene nicht ausschließlich Leistungen der ambulanten Pflege oder durch pflegende Angehörige in Anspruch nehmen möchten. In diesem Fall können sie die Mittel aus Pflege­geld und Pflege­sachleistung anteilig miteinander verbinden.

  • § 39: Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflege­person

    § 39 SGB XI regelt die Pflege des Betroffenen, wenn die private Pflege­person zeitweilig verhindert ist. Hierbei handelt es sich um die sogenannte „Verhinderungs­pflege“, bzw. „Ersatzpflege“. Voraussetzung für die vollständige Bewilligung der Mittel ist allerdings, dass die genannte Pflege­person zuvor für wenigstens sechs Monate die Pflege des Betroffenen geleistet hat, der wenigstens Pflege­grad 2 hat.

Pflegehilfsmittel: Handschuhe, Masken und Desinfektionsmittel
Masken, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel gehören in jede Pflege­hilfsmittel-Box. Bild: Shutterstock/Igisheva Maria
  • § 40: Pflege­hilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

    § 40 SGB XI regelt den Anspruch Pflege­bedürftiger auf pflegeunterstützende Hilfsmittel und finanzielle Mittel zur Wohnraum­anpassung. Bei Pflege­hilfsmitteln handelt es sich um Hilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder Linderung von Beschwerden.

    Damit Betroffene möglichst lange selbstständig in ihrem häuslichen Umfeld leben können, fördert die Pflege­kasse die Wohnraum­anpassung, wie z. B. barrierefreies Bauen mit bis zu 4000 € je Maßnahme.

  • § 42: Kurzzeitpflege

    In § 42 SGB XI ist die überbrückende stationären Pflege geregelt, etwa für den Fall, dass der betroffene Versicherte nach einem Kranken­hausaufenthalt übergangsweise intensivere Betreuung benötigt, als sie von den pflegenden Angehörigen oder im Rahmen der ambulanten Pflege erbracht werden kann. Für Situationen wie diese hat der Gesetzgeber das Instrument der sog. Kurzzeitpflege geschaffen, die in aller Regel von einem institutionellen Pflege­heim erbracht wird.

  • § 43 Vollstationäre Pflege

    Unter § 43 SGB XI werden die Leistungen zur Pflege in einer Unterbringung abgehandelt. Dabei wird zwischen drei Möglichkeiten unterschieden: Der Pflege in einer vollstationären Einrichtung, der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen und der zusätzlichen Betreuung in einer stationären Pflege­einrichtung.

  • § 45 Pflege­kurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflege­personen

    Auch für Angehörige sind unter § 45 SGB XI maßgebliche Hilfen festgehalten – etwa zur Schulung bei Ausübung einer pflegerischen Tätigkeit als pflegender Angehöriger oder Ehrenamtlicher. Pflege­kassen müssen unentgeltliche Pflege­kurse anbieten, einerseits um das Engagement in der Pflege zu erhöhen, andererseits aber auch um die Pflege selbst zu verbessern und damit einhergehende Belastungen zu mindern.

SGB V in der Pflege: Diese Paragraphen sind für Pflege­bedürftige wichtig

Im SGB V befinden sich vor allem Regelgungen zur Kranken­versorgung Pflege­bedürftiger. Wir stellen an dieser Stelle die wichtigsten Gesetze aus dem SGB V vor, die auch für die Pflege von Bedeutung sind.

  • § 37 SGB V: Häusliche Kranken­pflege

    Die häusliche Kranken­pflege dient dazu, Versicherte zu versorgen, die nach einem Eingriff oder einer akuten Erkrankung in einem zeitlich begrenzten Umfang Pflege benötigen, dafür aber keine Klinik oder Rehabilitationseinrichtung aufsuchen möchten. Im Gegensatz zur regulären pflegerischen Versorgung können Versicherte die häusliche Kranken­pflege nach SGB V nur in Anspruch nehmen, wenn sie nach SGB XI keinen anerkanntem Pflege­grad haben.

    Pflege­bedürftige, die in einem Pflege­heim leben, können die häusliche Kranken­pflege zumindest als Teilleistung in Form der Behandlungs­pflege in Anspruch nehmen. Allerdings gilt das nur bei außergewöhnlich schweren Verläufen.

  • § 37b SGB V: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

    Alle Kranken­versicherten können seit 2007 nach ärztlicher Verordnung Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (kurz: SAPV) im Rahmen der Palliativpflege in Anspruch nehmen. Die SAPV richtet sich an Patienten mit unheilbaren Erkrankungen, deren Verlauf auf eine begrenzte Lebenserwartung schließen lässt. Leistungen der SAPV umfassen kurative Maßnahmen wie Schmerztherapie symptomatische Behandlungen, aber auch pflegerisch-betreuende sowie seelsorgerische Dienste und psychosoziale Leistungen.

    Auch Pflege­bedürftige in einer stationären Einrichtung können SAPV nutzen, allerdings nur im Rahmen der medizinisch-kurativen Versorgung.

Haushaltshilfe bringt pflegebedürftiger Frau Frühstück
Wer nach einem Unfall Hilfe im Haushalt benötigt, kann für vier Wochen über die Kranken­kasse eine Haushaltshilfe einstellen. Bild: Shutterstock/ALPA PROD
  • § 38 SGB V: Haushaltshilfe

    Versicherte, die infolge eines Kranken­hausaufenthalts oder eines anderweitigen medizinischen Eingriffs voraussichtlich nicht ohne Weiteres wieder in der Lage sein werden, ihren Haushalt selbständig zu führen, können für die Dauer von vier Wochen eine von der Kranken­kasse finanzierte Haushaltshilfe in Anspruch nehmen. Das gilt allerdings nur, wenn sie mit keiner anderen Person in einem Haushalt leben, der ihnen bei der Haushaltsführung unter die Arme greifen kann. Allerdings finanziert die Kranken­kasse diese Leistung nicht vollständig, ein Eigenanteil von 5 bis 10 Euro kann pro Tag kann vom Versicherten gefordert werden.

  • § 39a SGB V: Stationäre und ambulante Hospizleistungen

    Ist es aus bestimmten Gründen nicht möglich, einem schwerkranken Menschen das Sterben in seinem vertrauten Umfeld zu gestatten, kann die Kranken­kasse die Unterbringung in einem Hospiz bewilligen und die Kosten dafür vollständig übernehmen. Das kann auch dann der Fall sein, wenn pflegende Angehörige nicht mehr in der Lage sind, die Pflege selbst zu leisten oder wenn ein neuerlicher Klinikaufenthalt keine Wirkung mehr zeigen würde.

  • § 39b SGB V: Hospiz- und Palliativberatung durch die Kranken­kassen

    Ergänzend zum vorherigen Absatz a umfasst der Absatz b des § 39 SGB nun eine umfassende kostenlose Beratung für Versicherte. Kranken­kassen leisten Unterstützung bei der Suche nach passenden Beratungs- und Versorgungsmaßnahmen zu Palliativ- und Hospizangeboten.

  • § 39c SGB V: Kurzzeitpflege bei fehlender Pflege­bedürftigkeit

    Auch Versicherte ohne Pflege­grad können seit dem Jahr 2016 Maßnahmen der Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Dieser Anspruch ist auf höchstens vier Wochen befristet und soll dazu dienen, Betroffene nach einem Kranken­hausaufenthalt oder einem anderweitigen Eingriff zu versorgen, wenn Maßnahmen eines ambulanten Pflege­dienstes für die Genesung nicht ausreichen würden. Die Kranken­versicherung trägt die reinen Pflege­kosten, alle darüber hinausgehenden Kosten für Unterbringung, Verpflegung und die sog. Investkosten müssen Betroffene selbst tragen.

  • § 40 SGB V: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

    Rehabilitation (häufiger: „Reha“) umfasst alle Maßnahmen zur medizinischen Wiederherstellung, beruflichen Wiederbefähigung und sozialen Wiedereingliederung. Im Rahmen der Pflege ist der SGB V für eine ganze Reihe von Alters- und Krankheitsbildern von Bedeutung. Entsprechende Maßnahmen können – je nach Art der vorliegenden Krankheit – in vielen Fällen nicht nur stationär, sondern auch ambulant ergriffen werden.

  • § 119b SGB V: Ambulante Behandlung in stationären Pflege­einrichtungen

    In § 119b SGB V wird die „kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung in stationären Pflege­einrichtung“ konkretisiert. Zentraler Bestandteil dieser gesetzlichen Regelung ist die Verpflichtung aller Pflege­heime, für die regelmäßige und umfassende medizinische Versorgung ihrer Heimbewohner zu sorgen.

  • §132g SGB V: Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase

    Pflege­einrichtungen können Menschen mit einer umfassenden gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase unterstützen. Hierbei soll es unmittelbar um die Vorstellung des Versicherten selbst gehen. Dazu zählen alle Aspekte zur ärztlichen und pflegerischen Begleitung, zur Sterbebegleitung und zur Seelsorge. Für diese Fürsorgemaßnahme übernimmt die Kranken­kasse die Kosten.

Eine junge Ärztin hält einer älteren Dame die Hand
Maßgeblich auch im Alter oder bei vorliegender Pflege­bedürftigkeit: Ärztliche Behandlung und umfassende Versorgung - auch wenn sie nicht vom SGB XI und der Pflege abgedeckt ist.

Elternunterhalt

Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest, dass direkt verwandte Personen untereinander unterhaltspflichtig sind. Das betrifft in erster Linie Eltern und Kinder, aber auch Großeltern und Enkel, ebenso wie Urgroßeltern und Urenkel. Das Sozialamt kann sich nur auf Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten ersten Grades berufen – also von Kindern und Eltern. Großeltern, Urgroßeltern, Enkel und Urenkel sind von dieser Verpflichtung ausgenommen. Gleiches gilt grundsätzlich für Geschwister, Cousins, Onkel und Tanten: Sie sind nicht für Ihre Verwandten unterhaltspflichtig, ebenso alle angeheirateten Verwandten.

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Angehörigen-Entlastungsgesetz

Für Angehörige von pflegebedürftigen Sozialhilfeempfängern wird mit der Verabschiedung des Entlastungsgesetzes die Einkommensgrenze angehoben: Künftig müssen sie sich erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro an den Pflege­kosten ihrer Eltern beteiligen - indem sie zum Beispiel für einen Pflege­dienst in der ambulanten Pflege oder für die Tagespflege zahlen. Die Einkommensgrenze gilt auch umgekehrt für Eltern mit erwachsenen pflegebedürftigen Kindern, die Anspruch auf Eingliederungshilfen haben. Sie werden von Belastungen etwa zum barrierefreien Bauen und Wohnen befreit – wenn sie weniger als 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen.

Quellen

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