Richtig vererben: Die größten Irrtümer im Erbrecht

von Afilio
17.08.2022 (aktualisiert: 05.02.2024)

Wie verfasse ich ein rechtsgültiges Testament? Was muss ich bei der Erbschaftssteuer beachten? Wie kann ich jemanden enterben? Diese und weitere Fragen hat Notar Dr. Lohmeyer für Afilio-Nutzer beantwortet. Über 5.000 Zuschauer und mehr als 200 eingereichten Fragen haben gezeigt, wie gefragt dieses Thema ist. Deshalb fassen wir die wichtigsten Irrtümer für Sie zusammen.

Das Webinar finden Sie auf Youtube unter folgendem Link:

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Irrtum 1: Die gesetzliche Erbfolge reicht, ein Testament brauche ich nicht

Bei 20 % aller Erbschaften kommt es zu Streit zwischen den Angehörigen. Deshalb benötigen Sie einen eigenen Nachlass­verteilungsplan, sobald Sie mehr als einen Erben haben. Die Aufteilung des Nachlass­es erfolgt nicht automatisch. Rechtsträger Ihres Nachlass­es ist die Erben­gemeinschaft, an der Ihre Erben beteiligt sind.

Beispiel: Eltern und zwei Kinder, der Vater stirbt. Der Nachlass besteht großteils aus einer Eigentumswohnung. Nun erbt die Mutter 50 % und die Kinder je 25 %. Die Wohnung zerfällt aber nicht in diese Teile. Die Erben­gemeinschaft muss gemeinsam entscheiden, wie sie die Aufteilung bewirkt. Das ist eine große Belastung in einer ohnehin emotionalen Situation. Der Prozess heißt nicht ohne Grund „Auseinandersetzung”.

Es ist die Verantwortung des Erblassers, durch Vorsorge den Familienfrieden zu sichern. So hinterlässt er kein Chaos. Selbst wenn jemand die gesetzliche Erbfolge exakt abbilden möchte, sollte er dies mit einem Testament regeln. So entsteht Klarheit und die Angehörigen müssen nicht ausdiskutieren, was der Erblasser in einem Testament mutmaßlich bestimmt hätte.

Irrtum 2: Mein Ehepartner erbt alles, wenn ich sterbe

Nach der gesetzlichen Erbfolge entsteht bei einem kinderlosen Ehepaar eine Erben­gemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und dessen Schwiegereltern oder dessen Schwägern, bei einem Ehepaar mit Kindern eine Erben­gemeinschaft eine Erben­gemeinschaft aus dem überlebenden Ehegatten und den Kindern.

Nur wenn außer dem Ehegatten keine der genannten Erben vorhanden sind, erbt der Ehegatte alles.

Irrtum 3: Jeder gesetzliche Erbe kann komplett von der Teilhabe am Nachlass ausgeschlossen werden

Einige Personengruppen, die gemäß der gesetzlichen Erbfolge erben würde, haben einen Pflichtteils­anspruch und können somit nicht komplett von der Teilhabe am Nachlass ausgeschlossen werden (siehe Irrtum 4). Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Quote.

Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern möchte ein Kind vom Erbe ausschließen. Normalerweise würde bei Versterben des ersten Ehegatten der andere Ehegatte die Hälfte und die Kinder je ein Viertel erben. Durch die gewünschte Regelung sollen Ehegatte und das eine Kind je die Hälfte erben, das andere Kind erbt nichts. Nun kann das enterbte Kind allerdings seinen Pflichtteil einfordern und erhält somit noch ein Achtel des Nachlass­es. Die Anteile sind:

  • Ehegatte: 50 %
  • Kind 1: 37,5 %
  • Kind 2: 12,5 %

Irrtum 4: Geschwister haben ein Pflichtteils­recht

Nein. Das Erbrecht denkt im Stammbaum vertikal. Zunächst erben Ehegatten und Kinder. Ist ein Kind vorverstorben, springen dessen Kinder, also die Enkel des Erblassers ein. Sind diese nicht vorhanden, erben die Eltern des Erblassers.

Würde eine dieser Personen nach der gesetzlichen Erbfolge zum Zuge kommen, ist jedoch per Testament enterbt, kann sie ihren Pflichtteils­anspruch geltend machen.

Alle anderen Personengruppen haben keinen Pflichtteils­anspruch.

Irrtum 5: Es genügt, das Testament eigenhändig am PC zu verfassen und zu unterschreiben

Es gibt nur zwei gültige Formen des Testaments: Das notariell beglaubigte Testament und das eigenhändige Testament.

Das eigenhändige Testament muss komplett handschriftlich verfasst und mit einer Unterschrift versehen werden. Außerdem sollten Sie Ort und Datum hinzufügen, damit bei mehreren Versionen des Testaments ersichtlich ist, welche die aktuellste ist. Das eigenhändige Testament muss nicht bezeugt werden. Bei einem Ehegattentestament muss nur ein Ehegatte das Testament handschriftlich verfassen, der andere ergänzt es anschließend mit dem Satz „Dies ist auch mein Wille.” sowie Ort, Datum und Unterschrift.

Wichtig: Ein am PC verfasstes, unterschriebenes Testament ist nichtig. Es wird nicht berücksichtigt.

Aber auch ein gültiges, eigenhändiges Testament hat Nachteile. Zunächst entfällt die wichtige Beratung durch einen Erbrechts- und Erbschaftssteuerexperten, die in den meisten Fällen unverzichtbar ist. Außerdem ist mit einem eigenhändigen Testament nach Versterben des Erblassers das Beantragen eines Erbscheins notwendig. Dieser Prozess dauert mehrere Wochen und die Kosten entsprechen denen eines notariellen Testaments. Das notarielle Testament ersetzt im Rechtsverkehr den Erbschein, sodass Angehörige direkt handlungsfähig sind.

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