Erbe ausschlagen: So gehen Sie vor

von Afilio
21.08.2019 (aktualisiert: 03.11.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Eine Erbschaft umfasst nicht nur das Vermögen des Verstorbenen, sondern auch alle bestehenden Schulden.
  • Übersteigt die Höhe der ererbten Schulden den Wert der Erbmasse, haften Erben auch mit ihrem Privatvermögen.
  • Die Erbschaft kann innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntwerden des Erbanspruchs ausgeschlagen werden.
  • Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, geht sie auf den nächsten Berechtigten der gesetzlichen Erbfolge über. Darum sollten Eltern im Ernstfall das Erbe immer auch für minderjährige Kinder ausschlagen. Erst an letzter Stelle steht der Staat.
  • Erbt der Staat die Schulden, erhalten die Gläubiger nur soviel, wie aus dem Nachlass entnommen werden kann.

Rund 3 Billionen Euro Gesamtwert vererben die Deutschen zwischen 2015 und 2024 nach einer Prognose des Statistikportals Statista. Doch nicht immer bedeutet eine Erbschaft auch Gewinn. Rund sieben Millionen Privatpersonen waren in Deutschland im Jahr 2018 überschuldet, und im Todesfall hinterlässt ein Schuldner auch seine Verbindlichkeiten. Darum lohnt es im Zweifel bei jeder Erbschaft zu prüfen, ob mögliche Verbindlichkeiten die Erbmasse übersteigen: Schulden und Verpflichtungen sind dabei nicht die einzigen Prüfsteine, auch ein baufälliges Haus mit teuren Sanierungsauflagen kann ein Grund sein, auf eine Erbschaft zu verzichten.

Warum ein Erbe ausschlagen?

Es gibt eindeutige Fälle, in denen die Erbausschlagung von vornherein sinnvoll ist. Bei einem offenkundig überschuldeten Nachlass etwa oder wenn ein direkter Angehöriger lediglich mit einem Vermächtnis bedacht werden soll, das deutlich geringer wäre als der reguläre Erbanteil nach gesetzlicher Erbfolge. Auch unklare Eigentumsverhältnisse, Rechtsstreitigkeiten mit unabsehbaren Folgekosten oder unverkäufliche Immobilien mit hohen laufenden Kosten können ein Hinderungsgrund dafür sein, eine Erbschaft anzutreten. In allen übrigen Fällen gilt aber: Überstürzen Sie nichts. Sie haben vom Zeitpunkt der Mitteilung an, dass Sie als Erbe in Frage kommen, sechs Wochen Zeit, das Erbe auszuschlagen. Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über vorhandenen Immobilienbesitz und den übrigen Nachlass. Beide Positionen können auf den zweiten Blick einträglicher sein als erwartet, können aber genauso gut auch unwillkommene Überraschungen bereithalten.

Den Nachlass prüfen

Prüfen Sie die Unterlagen des Verstorbenen, und listen Sie sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vollständig auf. Prüfen Sie Konten, Depots, Schmuck- und Kunstgegenstände genauso wie Rechnungen und Gebührenforderungen von Versicherern und Ämtern. Achtung: Lassen Sie sich nicht dazu drängen, einen Erbschein zu beantragen, um Einblick in Konten oder Depots zu erhalten. Denn wenn Sie einen Erbschein beantragen, treten Sie das Erbe verbindlich und unwiderruflich an.

Banken dürfen nicht auf Vorlage eines Erbscheins bestehen! Fast immer genügt es, eine Sterbeurkunde gemeinsam mit dem Familienstammbuch vorzulegen. Noch besser ist es, wenn der Erblasser Sie im Rahmen einer Vorsorge­vollmacht als Kontobevollmächtigten eingesetzt oder Ihnen eine Bank­vollmacht ausgestellt hat.

Ein guter erster Indikator für den Stand der Dinge ist ein Blick in die Post der letzten Wochen vor dem Tod des Erblassers: Stapeln sich Rechnungen, Mahnungen und Pfändungsbeschlüsse, kann das ein Hinweis auf finanzielle Herausforderungen sein, die sich aus der Erbschaft ergeben. Auch Bestattungskosten, Notarkosten und der Anspruch auf Pflichtteile anderer Erben gehören in Ihre Aufstellung.

Folgekosten durch Immobilien

Die Übernahme einer Immobilie geht immer auch mit Verbindlichkeiten einher. Erhalt und kleinere Reparaturen sind bei allen Gebäuden ein dauerhafter Kostenfaktor. Prüfen Sie auch, ob Grundstücke oder Immobilien mit Hypotheken belastet sind. Unabhängig davon können sich zusätzlich erhebliche Folgekosten einstellen, wenn Sie eine Immobilie mit Sanierungsstau übernehmen.

Wichtig ist: Übersteigen die möglichen Folgekosten nicht nur den Vermögens- oder Ertragswert einer Erbschaft, sondern auch die eigene Finanzkraft, kommt nur ein Verkauf der ererbten Immobilie in Frage – gerade bei baufälligen Gebäuden kann das eine komplizierte Angelegenheit sein.

Wieviel Zeit bleibt, um eine Erbschaft auszuschlagen?

Sie haben ab dem Zeitpunkt, an dem Sie erfahren haben, berechtigter Erbe zu sein sechs Wochen Zeit, um die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu prüfen. Hat der Verstorbene zuletzt im Ausland gelebt, oder befanden Sie sich selbst im Ausland, als Sie vom Erbe erfahren haben, gilt eine Frist von sechs Monaten.
Wenn Sie wissen, dass Sie mit dem Verstorbenen verwandt waren, dürfen öffentliche Stellen davon ausgehen, dass Sie sich der gesetzlichen Erbfolge bewusst sind. Damit beginnt die sechswöchige Frist. Sollten Sie unsicher sein, wie Sie nach Ablauf der Frist entscheiden sollen, dann können Sie das Erbe zunächst antreten und im Ernstfall eine Nachlass­verwaltung beantragen. Auch eine Nachlass­insolvenz beim zuständigen Gericht ist möglich. Mit diesem Instrument ist es möglich, ererbte Schulden nur aus dem Nachlass abzuzahlen – ohne das eigene Privatvermögen mit einzubeziehen.

Wo kann ich das Erbe ausschlagen?

Zuständig ist das örtliche Nachlass­gericht am Wohnsitz des Verstorbenen, üblicherweise handelt es sich dabei um das Amtsgericht. Es ist nicht ausreichend, eine Erbschaft telefonisch oder per Post auszuschlagen. Erben müssen persönlich erscheinen und sich mit gültigen Ausweisdokumenten identifizieren. Die Erbausschlaggung wird dann amtlich protokolliert. Alternativ ist es auch möglich, einen Notar mit der Ausschlagung zu beauftragen.

Was kostet die Erbausschlagung?

Da überwiegend Erbschaften ausgeschlagen werden, die ohnehin überschuldet sind, sind die amtlichen Gebühren überschaubar. Sie betragen Stand 2021 gerade einmal 30€. Nur bei Ablehnung eines Erbes von höherem Wert werden die Verfahrenskosten nach dem Wert des Nachlass­es berechnet (§103 Abs. 1 GNotKG).

Ist es möglich von der Erbausschlagung zurückzutreten?

Der Entschluss zur Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich unwiderruflich. Lediglich in speziellen Einzelfällen besteht die Möglichkeit, diese Entscheidung zurückzunehmen. Das ist etwa der Fall, wenn wichtige Einzelheiten innerhalb der Annahmefrist nicht zugänglich waren. Ist das der Fall, dann kann die Ausschlagung innerhalb von sechs Wochen angefochten werden, nachdem etwaige neue Voraussetzungen bekannt geworden sind. Auch ist es möglich, die eigene Entscheidung zur Erbausschlagung anzufechten, wenn Sie unter Druck, durch Bedrohung oder als Ergebnis einer Täuschung zustande gekommen ist.

Wer trägt die Kosten der Beerdigung?

Grundsätzlich gehört die Beerdigung zu den Kosten, die als Teil der Erbschaft anfallen. Wer eine Erbschaft antritt, ist nach § 1968 BGB dazu verpflichtet, die Kosten der Bestattung zu übernehmen. Hat der Verstorbene die Bestattungs­vorsorge bereits vor seinem Tod geregelt und gibt es eine Sterbegeld­versicherung, können Angehörige möglichen Bestattungskosten beruhigter entgegensehen. Wurde keine Vorsorge­maßnahme (wie das Sterbegeld) ergriffen, können die Kosten der Beerdigung aus dem Nachlass finanziert werden. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, dann werden alle ermittelbaren direkten Angehörigen anteilig zur Begleichung der Bestattungskosten herangezogen.

Wer zahlt die Beerdigung, wenn ich die Erbschaft ausschlage?

Zwei Fragen gilt es zu beantworten, um zu klären, wer für die Kosten einer Bestattung aufkommt

  1. Sind weitere Erben vorhanden?
  2. Schlagen auch alle weiteren möglichen Erben die Erbschaft aus?

Auch bei der Lastenverteilung für die Bestattung gilt die gesetzliche Erbfolge: Schlägt ein direkter Angehöriger erster Ordnung die Erbschaft aus, können die Beerdigungskosten auf seine Kinder übergehen, die als Angehörige nächster Ordnung in die Erbfolge treten. Eltern minderjähriger Kinder sollten im Zweifel immer daran denken, den Verzicht auf eine Erbschaft für ihre minderjährigen Kinder ebenfalls zu erklären. Schlagen alle Erbberechtigten das Erbe aus oder sind keine Erben vorhanden, dann tritt zuletzt der Staat als Erbe ein, es handelt sich dann um eine sogenannte Fiskalerbschaft. Trotzdem zahlt er nicht automatisch die Bestattungskosten.

Wann zahlt der Staat die Beerdigung?

Auch wenn alle Erbberechtigten das Erbe ausschlagen, muss der Staat die Kosten für die Beisetzung nicht allein tragen. Denn das Erbrecht sieht eine Nachlass­beschränkung (= Beschränkung auf den Nachlass) vor. Auch der Staat haftet also gegenüber Gläubigern und Bestattern nur mit dem Wert des Nachlass­es. Übersteigen Schulden und Verbindlichkeiten den Nachlass­wert, kann der Staat die Angehörigen des Verstorbenen wiederum zur Zahlung der Bestattungskosten heranziehen, obwohl sie das Erbe ausgeschlagen haben. Das gilt auch, wenn sie dem Verstorbenen gegenüber unterhaltspflichtig waren. Der Staat zahlt nur dann die Beerdigung, wenn alle erbberechtigten Angehörigen das Erbe ausschlagen und niemand dem Verstorbenen zum Unterhalt verpflichtet gewesen ist. Auch wenn die Angehörigen nicht als Erben in Frage kommen, besteht die Kostentragungspflicht weiterhin für:

  • Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
  • Kinder
  • Eltern
  • Geschwister
  • Unverheiratete Partner
  • andere Sorgeberechtigte
  • Großeltern
  • Enkelkinder
  • entferntere Verwandte bis 3. Grades

Was tun, wenn Sie die Beerdigung nicht bezahlen können?

Wenn Angehörige kostentragungspflichtig, aber nicht in der Lage sind die Beerdigung zu zahlen, können sie beim zuständigen Sozialamt auch eine Sozialbestattung beantragen. Gegen Nachweis der Bedürftigkeit kann die zuständige Gemeinde die Kosten für die Bestattung übernehmen.

Quellen

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