Welche Gesundheits­fragen stellen Versicherungen?

von Johannes Kuhnert
17.06.2020 (aktualisiert: 10.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Für eine ganze Reihe von Versicherungen stellen Gesellschaften ihren Antragstellern eine Reihe von Fragen zum Gesundheits­zustand. Vor allem Pflege­zusatz­versicherungen, Berufsunfähigkeits­versicherungen oder die Private Kranken­versicherung sind klassische Fälle für Gesundheits­fragen.
  • Gesundheits­fragen sollten unbedingt ehrlich und vollständig beantwortet werden - ansonsten kann die Versicherung im Ernstfall die Leistung verweigern, und die Beiträge sind auch futsch.
  • Sorgfalt ist oberstes Gebot: Lassen Sie sich bei umfangreichen oder komplexen Fragen immer von Ihrem Hausarzt beraten
  • Angebote ohne Gesundheits­fragen sind nicht automatisch unseriös - sie sind allerdings häufig teurer als übliche Angebote oder sie schließen bestimmte Leistungen von vornherein aus.

Was sind Gesundheits­fragen?

Gesundheits­fragen sind ein -üblicherweise standardisierter- Fragenkatalog einer Versicherung zum Gesundheits­zustand eines Antragsstellers auf eine Versicherung. Diesen Fragenkatalog beantwortet der Antragssteller selbst, idealerweise in Zusammenarbeit mit seinem Hausarzt oder einem Berater. Die Gesundheits­fragen dienen der Versicherung dazu abzuschätzen, wie hoch das Risiko für das Eintreten des Versicherungsfalls ist. Darum spielen Sie vor allem bei Lebens­versicherungen oder zur Einkommensabsicherung Zusatz­versicherungen für Krankheiten (z.B. bei der Pflege­zusatz­versicherung oder einer Berufsunfähigkeits­versicherung) eine wichtige Rolle.

Auf der Grundlage der eingereichten Antworten entscheidet die Versicherung über die Annahme des Antrags, kalkuliert die Höhe der Versicherungsbeiträge und erhebt ggf. Risikozuschläge.

Warum stellen Versicherungen Gesundheits­fragen?

Je nach Art und Umfang der Versicherung kann es für den Versicherten wie für die Versicherungsgesellschaft um viel Geld gehen, wenn der Versicherungsfall eintritt. Wer etwa eine Zusatz­versicherung für Zahnersatz oder Brillengläser abschließt, muss verhältnismäßig wenige Fragen zu seinem Gesundheits­zustand beantworten.

Geht es hingegen um einen Versicherungsschutz vor einschneidenden und anhaltenden Ereignissen, etwa vor Berufsunfähigkeit und Pflege­bedürftigkeit, werden häufig ganze Gesundheits­bereiche im Rahmen der Gesundheits­fragen abgefragt. Schließlich möchte die Versicherungsgesellschaft das Risiko möglichst gering halten, über Jahrzehnte hinweg hohe Pflege­kosten oder eine Berufs­unfähigkeits­rente zu zahlen. Auch bei Änderungen dieser Verträge wird der Gesundheits­zustand des Versicherten neu erhoben – vor allem, wenn es darum geht, den bestehenden Versicherungsschutz auszubauen, bzw. zu erweitern. Denn dann sollen ja weitere Einzelrisiken zusätzlich oder bestehende noch umfassender abgesichert werden. Dementsprechend bestehen Versicherungen dann häufig auf einer erneuten Erhebung des Gesundheits­zustands, es sei denn der Versicherungsvertrag umfasst eine sog. Nach­versicherungsgarantie – also eine Option, den bestehenden Vertrag auch ohne neuerliche Gesundheits­prüfung um weitere Leistungen zu ergänzen oder ihn zu erweitern.

Gesundheits­fragen müssen ehrlich beantwortet werden

Tritt der Versicherungsfall ein, prüft die Versicherung sämtliche Angaben der Gesundheits­fragen erneut genau. Stellt sich heraus, dass die Angaben des Versicherten nicht wahrheitsgemäß oder nicht vollständig waren, kann sie sich weigern, die vereinbarten Leistungen auszuzahlen.

Darum sollten Antragssteller bei Gesundheits­fragen ausschließlich ehrliche und vollständige Angaben machen. Denn sollte sich herausstellen, dass Angaben unvollständig oder unaufrichtig waren, geht im Ernstfall nicht nur der Versicherungsschutz verloren – auch alle geleisteten Beiträge sind hinfällig! Vollständig beantwortet werden müssen allerdings nur Fragen, die schriftlich beantwortet werden sollen – und das üblicherweise auch nur in einem zuvor festgelegten Zeitraum. Häufig gelten die vergangenen fünf Jahre für hausärztliche, bzw. ambulante Behandlungen und die zurückliegenden zehn Jahre bei Antragsstellung für stationäre Behandlungen. Weiter zurückliegende Erkrankungen, bzw. Behandlungen müssen dann nicht mit aufgeführt werden. Welche Fristen genau gelten, geht üblicherweise aus den Gesundheits­fragen selbst hervor. Es gilt allerdings auch den Formulierungen der Gesundheits­fragen genau zu folgen: Je konkreter die geforderte Auskunft, desto transparenter. Entgegenkommen signalisieren etwa Fragen, die sich auf konkrete Behandlungen beziehen, nicht auf diffus formulierte Beschwerden.

Welche Gesundheits­fragen stellen Versicherer konkret?

Tatsächlich gibt es keinen allgemein verbindlichen Fragenkatalog, an dem sich alle Versicherer orientieren, doch in den wesentlichen Punkten ähneln sich die Fragen sehr stark. Das liegt in der Natur der Sache, denn die Interessen der Anbieter sind in diesem Punkten quasi identisch. Konkrete Unterschiede gibt es jedoch vor allem in Hinblick auf den abgefragten Zeitraum, üblich sind hier Zeitfenster von drei, fünf oder zehn Jahren. Bei besonders gravierenden Erkrankungen oder Einschränkungen etwa durch HIV oder eine erworbene oder angeborene Behinderung kann es auch sein, dass der Abfragezeitraum unbegrenzt ist. Besondere Aufmerksamkeit sollten Interessierte auch Bereichen schenken, die sich auf unbehandelte Erkrankungen beziehen oder sonstige gesundheitliche Einschränkungen betreffen.

Übliche Abschnitte eines Fragekatalogs sind:

Basisinformationen

  • Körpergröße, Gewicht, Sehvermögen, Hörvermögen, Zahn- und Kieferzustand

Aktuelle und zurückliegende Erkrankungen

  • Krankheiten, auffällige und behandlungsbedürftige Störungen des allgemeinen Wohlbefindens, Unfallfolgen
  • Psychotherapeutische Behandlungen (auch Sucht­behandlungen)
  • Drogenkonsum
  • aktuell oder früher eingenommene Medikamente
  • Stationäre Aufenhalte oder ambulante Behandlungen, bzw. Untersuchungen
  • Operationen
  • Krebserkrankungen
  • HIV-Infektionen
  • Behinderungen, erworbene oder angeborene Einschränkungen
  • Rehabilitationsmaßnahmen, Kuraufenthalte u.ä.

Rahmenfragen

  • Angaben zu früheren Vertragsablehnungen oder Vertragskündigungen durch dieselbe oder einen andere Versicherung
  • Eingetretene Fälle von Berufsunfähigkeit, Arbeits­unfähigkeit oder Erwerbs­unfähigkeit

Werden Fragen mit “ja” beantwortet, sind praktisch immer nähere Angaben erforderlich:

  • Name der Krankheit, Art der Verletzung oder Beschwerde, Behandlungs­verlauf
  • Ergebnis des Verlaufs: vollständige Genesung, verbliebene Folgen oder dauerhafte Einschränkungen
  • hinzugezogene Ärzte und Einrichtungen

Sollte ich Gesundheits­fragen gemeinsam mit meinem Arzt beantworten?

Je umfassender der Versicherungsschutz, desto wichtiger ist es, die notwendigen Gesundheits­fragen richtig, umfassend und sorgfältig zu beantworten. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen – Gesundheits­fragen hektisch zwischen Tür und Angel auszufüllen ist kein empfehlenswerter Weg. Und auch beim Umfang der eigenen Antworten gibt es keine zwingenden Grenzen. Jeder seriöse Versicherer wird auch eigenhändige Antworten auf beigefügten Begleitblättern akzeptieren.

Diese Schritte sollten Sie beim Ausfüllen beachten:

  • Hausarzt konsultieren: Welche Behandlungen sollten unter allen Umständen aufgeführt werden und wie sollten Einzelfragen zu bestimmten Krankheitsbildern richtig beantwortet werden?
  • Patientenakten anfordern: Je nachdem, welche Ärzte Sie im fraglichen Zeitraum in Anspruch genommen haben, sollten Sie die dort vorgehaltenen Patientenakten anfordern. Das kann genauso der eigene Hausarzt sein, wie ein regelmäßig zu Rate gezogener Internist, ein Orthopäde, aber auch der zuständige Gynäkologe bei Frauen.
  • Versichertenauskunft anfordern: Die eigene Kranken­kasse hält sämtliche beglichenen Forderungen für Kassenleistungen der vergangenen 18 Monate eines Versicherten fest, damit lässt sich für diesen Zeitraum auch lückenlos feststellen, welche Erkrankungen behandlungsbedürftig waren.
  • Ärzte von der Schweigepflicht entbinden: Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Denn die Unterschrift unter den Fragebogen geht in aller Regel mit einer umfassenden Schweigepflichts­entbindung für alle Ärzte einher. Das jedoch ist nicht zwingend im Interesse des Versicherten – eine Schweigepflichts­entbindung sollte sich nur auf den fraglichen Zeitraum der notwendigen Informationen erstrecken und besser nur von Fall zu Fall vergeben werden. Entsprechende Regelungen lassen sich ebenfalls treffen, sollten aber auch im offenen Gespräch mit der Versicherung dargelegt werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, man wolle etwas verheimlichen.

Bei welchen Formulierungen sollten Kunden aufpassen?

Heikel sind vor allem Fragen, die keine eindeutige Antwort zulassen. Darum sollten Interessierte immer Ausschau nach Angeboten halten, die konkrete Schritte abfragen – also etwa zu erfolgten Untersuchungen und Behandlungen, eingenommenen Medikamente oder fehlenden Zähne. Werden lediglich allgemein formuliert Beschwerden und Gebrechen abgefragt, ist ebenso Vorsicht angeraten wie bei Fragestellungen ohne Angabe eines konkreten Zeitraums. Klar umrissenen Fragestellungen mit einem eindeutig benennbaren Zeitraum sollte immer der Vorzug gegenüber Angeboten mit diffusen Zeiträumen und Krankheitsbildern gegeben werden.

Ärztliche Unterlagen aufheben

Sämtliches Material, das zum Beantworten der Gesundheits­fragen verwendet wurde, sollte auch danach abgelegt und aufgehoben werden. Denn sollte es aus irgendwelchen Gründen zu einer Auseinandersetzung mit der Versicherungsgesellschaft kommen, ist in einer deutlich besseren Position, wer seine Angaben belegen kann.

Hintergrund: Der Gesetzgeber hat mit der sog. „vorvertraglichen Anzeigepflicht“ festgelegt, dass der Versicherte sämtliche Voraussetzungen, die für den Vertragsschluss ausschlaggebend sind der Versicherung vorzulegen hat. Wer die Unterlagen, die dafür genutzt worden sind aufhebt, kann also auch bei einem Rechtsstreit nachweisen, dass er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat.

Was passiert, wenn die Versicherung Fehler vermutet?

Vermutet die Versicherung, dass der Versicherte vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, kann sie den geschlossenen Vertrag in den ersten zehn Jahren nach Vertragsschluss wegen arglistiger Täuschung anfechten. Dazu kommt es in der Regel aber nur, wenn sie davon ausgeht, der Versicherte hätte ihm bekannte Vorerkrankungen bewusst verschwiegen, um den Versicherungsschutz in Anspruch nehmen zu können. Kommt es dann tatsächlich auch zur rechtsgültigen Aufkündigung des Vertrages, gehen dem Versicherten nicht nur die Versicherungsleistungen verloren, sondern auch seine gesamten bis dahin geleisteten Beiträge. Dafür allerdings muss die Versicherung beweisen können, dass bewusst falsche Angaben gemacht worden sind. Falsche Angaben sind übrigens auch dann ein berechtigter Kündigungsgrund, der Versicherungsfall eintritt und sich herausstellt, dass der Versicherte eine Vorerkrankung verschwiegen hat. Dann ist nämlich ausschlaggebend, dass es bei Kenntnis des tatsächlichen Krankheitsbildes womöglich überhaupt nicht zum Vertragsschluss gekommen wäre.

Auch wenn kein Vorsatz vorliegt oder nachweisbar ist – selbst kleine Auslassungen und Flüchtigkeitsfehler können dazu führen, dass die Gesellschaft den Vertrag anfechten oder kündigen kann. Im milderen Fall kann sie auch nachträglich höhere Prämien verlangen oder Leistungen für die Zukunft ausschließen.

Was ist mit Angeboten ohne Gesundheits­fragen?

Immer wieder gibt es Versicherungsangebote ohne Gesundheits­fragen – und sie haben ihre Berechtigung am Markt. Denn wer aufgrund fortgeschrittenen Alters oder schwerer Vorerkrankungen ansonsten keine geeignete Versicherung mehr in Anspruch nehmen kann, hat hier eine Chance, noch den richtigen Vorsorge­schutz zu finden. Allerdings lassen sich Versicherungsgesellschaften das „pauschale“ Risiko auch pauschal höher vergelten als bei Vertragsangeboten mit Gesundheits­fragen – oder sie schließen bestimmte Leistungen von vornherein aus. Hier gilt es noch mehr als bei regulären Angeboten zu vergleichen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Antragssteller hier dennoch einen vereinfachten Fragebogen ausfüllen müssen – der dann als Vorfilter dient. Wer dann an entscheidenden Stellen Vorerkrankungen bekannt gibt, muss anschließend doch den regulären Fragekatalog beantworten.

Quellen

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