Berufs­unfähigkeits­rente: Höhe, Anspruch und Abgaben

von Christina Horst
08.07.2020 (aktualisiert: 11.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Bei einer Berufs­unfähigkeits­rente handelt es sich um die Leistung einer privaten Berufsunfähigkeits­versicherung. Die vereinbarte monatliche Zahlung wird fällig, wenn Versicherte aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf mindestens sechs Monate lang nur noch zu höchstens 50 Prozent ausüben können.
  • Die private BU-Rente ist leichter zu bekommen als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente: Diese gibt es nur, wenn Betroffene trotz Reha nicht länger als drei bzw. sechs Stunden erwerbstätig sein können.
  • Die Höhe der monatlichen Zahlungen und die Auszahlungsdauer sind bei der privaten BU-Versicherung frei wählbar. Je besser die Leistungen, desto höher die Prämie.
  • Wichtig: Setzen Sie die Rentenhöhe und die Auszahlungsdauer keinesfalls zu niedrig an. Achten Sie außerdem auf eine Nach­versicherungsgarantie: Bei Bedarf sollte sich der vereinbarte monatliche Betrag ohne erneute Gesundheits­prüfung erhöhen lassen.
  • Auf den Ertragsanteil einer privaten BU-Rente fallen ggf. Steuern an, zudem zahlen Sie Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Kranken­versicherung.

Die Absicherung des eigenen Einkommens ist eine der wichtigsten Vorsorge­maßnahmen. Denn wer aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf irgendwann nicht mehr ausüben kann, erhält häufig keine staatliche Unterstützung. Die volle Erwerbsminderungsrente der Deutschen Renten­versicherung bekommt nur, wer auch nach der medizinischen und beruflichen Rehabilitation nicht länger als drei Stunden pro Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Das heißt im Klartext: Solange Sie irgendeine Tätigkeit länger als 15 Stunden pro Woche ausüben können, und sei es ein Pförtnerjob, erhalten Sie im Ernstfall nur eine anteilige Erwerbsminderungsrente oder gar nichts. Bei einer Berufs­unfähigkeits­rente handelt es sich hingegen um die Leistung einer privaten Berufsunfähigkeits­versicherung. Im Versicherungsfall erhalten Sie eine monatliche Zahlung in vereinbarter Höhe, die Ihren gewohnten Le­bens­stan­dard absichert. Weil die BU-Versicherung nicht erst bei Erwerbsminderung zahlt, sind Sie nach einer Erkrankung oder einem Unfall nicht auf Jobs angewiesen sind, die Sie nicht gelernt haben oder die Ihnen keinen Spaß machen. Da im Schnitt jeder vierte Deutsche vor dem Renteneintritt berufsunfähig wird, kommt der Berufsunfähigkeits­versicherung eine besondere Bedeutung bei der Vorsorge zu. Wir erklären, wie hoch die private Berufs­unfähigkeits­rente ausfallen sollte, wann Sie Anspruch darauf haben und was sonst noch zu beachten ist.

Ursachen von Berufsunfähigkeit

Im Jahr 2018 waren laut einer Erhebung des Analysehauses Morgen & Morgen Depressionen und andere psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit. Auf dem zweiten und dritten Platz landeten Erkrankungen des Bewegungsapparates und Krebs. Auch Unfälle sowie Herz- und Gefäßerkrankungen waren laut der Analyse oft der Grund dafür, dass Menschen ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten.

Warum ist eine private Berufs­unfähigkeits­rente wichtig?

Ob eine Versicherung schon bei Berufsunfähigkeit oder erst bei Erwerbsminderung eine Rente auszahlt, macht einen großen Unterschied. Als berufsunfähig gilt, wer durch einen Unfall oder eine Krankheit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in seinem bisherigen Beruf arbeiten kann. Bei einer privaten BU-Versicherung ist das der Versicherungsfall: Üblicherweise besteht Anspruch auf die vereinbarte Berufs­unfähigkeits­rente, wenn der Versicherte seine gewohnte Tätigkeit nur noch zu weniger als 50 Prozent ausüben kann. Ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Renten­versicherung besteht in diesem Fall nicht automatisch, denn sie zahlt nur bei Erwerbsminderung: Wer weder in seinem eigenen noch in einem anderen Beruf länger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann, erhält die volle Erwerbsminderungsrente, wer maximal sechs Stunden schafft, die halbe. Voraussetzung ist eine ausreichend lange Versicherungs- und Beitragszeit in der Deutschen Renten­versicherung. 2018 betrug die Rente bei voller Erwerbsminderung im Schnitt 795 Euro – die meisten Menschen können davon nur einen Bruchteil ihrer Lebenshaltungskosten bestreiten. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Renten­versicherung grundsätzlich erst zahlt, wenn Maßnahmen der Rehabilitation nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Ist ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit der Grund für die Erwerbsminderung, haben Arbeitnehmer unter Umständen gleichzeitig Anspruch auf eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfall­versicherung, allerdings ist die Gesamthöhe begrenzt. Daraus folgt: Wer sein Einkommen und somit seinen gewohnten Le­bens­stan­dard abgesichert wissen möchte, kann sich auf gesetzliche Leistungen allein nicht verlassen.

Gibt es eine gesetzliche Berufs­unfähigkeits­rente?

Wenn von einer Berufs­unfähigkeits­rente die Rede ist, ist heute im Normalfall die Leistung einer privaten BU-Versicherung gemeint. Tatsächlich zahlte früher auch der Staat bei Berufsunfähigkeit: Wer seinen Beruf nur noch zu weniger als 50 Prozent ausüben konnte, hatte Anspruch auf die gesetzliche Berufs­unfähigkeits­rente. Wer gar nicht mehr arbeiten konnte, bekam die Erwerbs­unfähigkeitsrente. Beide Renten wurden zum 1. Januar 2001 abgeschafft und durch die Erwerbsminderungsrente abgelöst. Eine Ausnahme gilt für gesetzlich Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind: Sie können noch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten. Die Höhe entspricht der anteiligen Erwerbsminderungsrente.

Berufs­unfähigkeits­rente: Wie hoch sollte sie ausfallen?

Bei einer privaten Berufs­unfähigkeits­rente ist unerheblich, wie viel Sie verdient haben: Sie können die Rentenhöhe individuell mit dem Anbieter vereinbaren, allerdings gilt häufig ein bestimmter Prozentsatz des Einkommens als Obergrenze. Die meisten Menschen kommen mit etwa 80 Prozent ihres Nettoeinkommens über die Runden. Allerdings sollten Sie Ihren Bedarf nicht unterschätzen: Berücksichtigen Sie neben Kosten für die Wohnung, das Auto, Lebensmittel, Kleidung und andere Konsumgüter auch größere Investitionen, Unterhaltszahlungen, Versicherungsbeiträge und – besonders wichtig – Ihre Alters­vorsorge. Ansprüche für Ihre gesetzliche Altersrente bauen Sie nur weiterhin auf, wenn Sie bei Berufsunfähigkeit freiwillig in die Rentenkasse einzahlen. Für die private Alters­vorsorge bieten sich z. B. eine ältere, gut verzinste Kapitallebens­versicherung oder eine private Renten­versicherung an.

Taschenrechner mit Euromünzen und Euroscheinen
Die Berufs­unfähigkeits­rente sollte keinesfalls zu niedrig angesetzt werden und sich bei Bedarf ohne erneute Gesundheits­prüfung erhöhen lassen – z. B. wenn Sie eine Familie gründen.

Die BU-Rente, die Sie heute vereinbaren, wird durch die Inflation einmal weniger Kaufkraft haben als derselbe Betrag heute – dies sollten Sie beim Festlegen der Rentenhöhe berücksichtigen. Zudem kann Ihr finanzieller Bedarf steigen, wenn sich Ihre Lebensumstände ändern, z. B. wenn Sie heiraten, eine Familie gründen oder ein Haus bauen. Die Höhe der Berufs­unfähigkeits­rente sollte sich deshalb bei Bedarf unkompliziert anpassen lassen. Möglich macht das eine BU-Versicherung mit Nach­versicherungsgarantie: Treten Ereignisse wie die oben genannten ein, können Sie meist innerhalb einer dreimonatigen Frist die vereinbarte BU-Rente erhöhen. Das geht üblicherweise bis zum Alter von ca. 50 Jahren. Entscheidend ist, dass eine Nach­versicherung ohne Gesundheits­fragen möglich ist. Es gibt auch BU-Versicherungen mit eingebauter Dynamik, bei denen die Rente jedes Jahr automatisch um einen bestimmten Prozentsatz steigt, um die Inflation auszugleichen.

Je höher Sie die BU-Rente wählen, desto teuer die Beiträge. Darum sollten Sie überlegen, ob Sie im Fall der Fälle auch Ersparnisse oder andere Einnahmequellen zur Verfügung hätten. Ebenfalls gilt: Je länger Sie die Berufs­unfähigkeits­rente beziehen möchten, desto höher die Prämie. Empfehlenswert ist eine Auszahlung bis zum Beginn der Altersrente; wenn Sie Beiträge sparen möchten, können Sie eine kürzere Auszahlungsdauer in Erwägung ziehen. Eine Karenzzeit – das ist eine Zeitspanne, in der der Versicherer bei Berufsunfähigkeit noch nicht zahlen muss – können Sie festlegen, um von geringeren Beiträgen zu profitieren, warten dann aber im Versicherungsfall ein halbes bis ein Jahr auf die Auszahlung der Rente. Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei einer BU-Versicherung nicht am falschen Ende zu sparen: Wichtig ist, dass im Ernstfall die Leistung stimmt. Die Höhe der Versicherungsprämie hängt noch von weiteren Faktoren ab, vor allem der Risikogruppe Ihres Berufs, Ihrem Alter und Ihrem Gesundheits­zustand.

BU-Rente und Sozialleistungen vom Staat

Wenn Sie berufsunfähig werden und z. B. Hartz IV oder eine Grundsicherung bei Erwerbsminderung beziehen, wird die private Berufs­unfähigkeits­rente darauf angerechnet – die staatlichen Leistungen werden entsprechend gekürzt. Liegt Ihre BU-Rente auf dem Niveau von Hartz IV bzw. der Grundsicherung oder darunter, haben Sie also selbst nichts davon, sondern entlasten nur den Staat. Wählen Sie die Rentenhöhe so, dass in jedem Fall etwas für Sie übrigbleibt.

Wann besteht Anspruch auf die Berufs­unfähigkeits­rente?

Junger Mann im Rollstuhl vor einem Gebäudeeingang
Eine private BU-Rente erhalten Sie von Ihrem Versicherer meist auch dann, wenn die gesetzliche Renten­versicherung nichts zahlt. Voraussetzung ist, dass Sie Ihren Beruf nur noch zu höchstens 50 Prozent ausüben können.

Anspruch auf monatliche Zahlungen der privaten Berufsunfähigkeits­versicherung haben Sie, wenn nach Einschätzung des Versicherers folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Sie sind in Ihrem zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig geworden.
  • Es liegt eine Ursache für die Berufsunfähigkeit vor, die die Versicherung abdeckt (Krankheit, Unfall, Kräfteverfall).
  • Die Berufsunfähigkeit liegt wird mindestens sechs Monate andauern oder liegt bereits so lange vor.

Die Prüfung, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind und Sie Anspruch auf die BU-Rente haben, kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Wird die Berufsunfähigkeit anerkannt, erhalten Sie die Leistung rückwirkend ab dem Zeitpunkt, zu dem der Arzt attestiert hat, dass Sie zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig sind. Haben Sie beim Abschluss der BU-Versicherung eine Karenzzeit mit dem Anbieter vereinbart, zahlt er erst nach Ablauf dieser Zeitspanne. Kranken­geld von der gesetzlichen Kranken­versicherung können Sie parallel zur BU-Rente erhalten. Ggf. ist es sinnvoll, es mit einer Kranken­tagegeld­versicherung aufzustocken.

Sie erhalten die Rente höchstens bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit – also z. B. bis zum Beginn der Altersrente. Wenn sich Ihr Gesundheits­zustand bessert, kann der Versicherer die Zahlung unter bestimmten Umständen einstellen. Er überprüft in regelmäßigen Abständen, ob Sie weiterhin Anspruch auf die Rente haben.

Die BU-Rente beantragen

Damit Sie die private Rente bei Berufsunfähigkeit beziehen können, müssen Sie zunächst einen Leistungsantrag bei Ihrem Versicherer stellen. Achtung: Es kommt vor, dass Versicherer Anträge ablehnen. Dem sollten Sie durch eine gute Vorbereitung vorbeugen. Beschreiben Sie möglichst detailliert Ihre bisherige Position und Ihre Tätigkeiten, die jetzigen Einschränkungen sowie die Ursache und voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit. Als Belege eignen sich Atteste und Berichte Ihrer behandelnden Ärzte.

Steuern und Sozialabgaben bei der Berufs­unfähigkeits­rente

Tritt der Versicherungsfall ein und Sie erhalten Ihre BU-Rente, müssen Sie sie grundsätzlich versteuern – es sei denn, Ihr gesamtes zu versteuerndes Einkommen inklusive der Berufs­unfähigkeits­rente liegt unter dem jährlichen Grundfreibetrag von 9.408 Euro (Stand: 2020). Versteuern müssen Sie allerdings nur den Ertragsanteil der Rente, der wiederum von der Laufzeit abhängt: Je länger Sie die Rente beziehen, desto höher der Anteil, den Sie versteuern müssen. Für die Ermittlung des Ertragsanteils aus sogenannten „abgekürzten Leibrenten“ gibt es bundesweit gültige Tabellen: Sie weisen aus, wie viel Prozent des Betrags, den Sie jährlich aus der BU-Versicherung erhalten, bei einer bestimmten Laufzeit als zu versteuernder Ertragsanteil gelten.

Beispiel: Sie werden mit 49 Jahren berufsunfähig und beziehen Ihre BU-Rente bis zum 67. Lebensjahr. Der Laufzeit von 18 Jahren ist in der Tabelle ein Ertragsanteil von 19 Prozent zugeteilt. Sie müssen also 19 Prozent der jährlichen Zahlung versteuern.

In der Phase der Beitragszahlung können Sie die Ausgaben für Ihre BU-Versicherung als Vorsorge­aufwendungen steuerlich geltend machen. Dabei gelten allerdings Höchstgrenzen, die häufig schon durch andere Versicherungsbeiträge ausgeschöpft sind, vor allem die Beiträge zur Kranken- und Pflege­versicherung. Für Arbeitnehmer und Beamte liegt die Obergrenze bei 1.900 Euro, für Selbstständige bei 2.800 Euro pro Jahr.

Bei Bezug einer BU-Rente zahlen Sie grundsätzlich Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Kranken­versicherung. Bei Privatversicherten gehen die vollen Kosten für die PKV von der Rentenhöhe ab. Gesetzlich Versicherte, die nicht gleichzeitig eine Erwerbsminderungsrente beziehen, zahlen den vollen Beitragssatz – also den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil – bis zur Beitrags­bemessungs­grenze von 56.250 Euro pro Jahr (Stand: 2020). Erhalten Sie parallel zur privaten BU-Rente eine Erwerbsminderungsrente, zahlen Sie auf diese den halben Beitragssatz.

Quellen

Christina Horst

Christina Horst war bis Januar 2021 Content Managerin bei Afilio und schrieb vor allem über Vorsorge­themen wie die Patienten­verfügung und die Vorsorge­vollmacht. Zuvor war sie als Online-Redakteurin und Lektorin in Unternehmen und Agenturen sowie als freie Journalistin tätig.

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