Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt wann was?

von Johannes Kuhnert
21.08.2019 (aktualisiert: 16.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Die gesetzliche Erbfolge ist grundsätzlich maßgeblich: Sie greift automatisch, wenn der Erblasser weder Testament noch Erbvertrag hinterlassen hat. Sie gewährleistet, dass immer mindestens ein gesetzlicher Erbe ermittelt wird.
  • Gesetzliche Erben sind die nächsten Blut­sverwandten in unterschiedlichen Rangfolgen.
  • Der Ehepartner hat Anspruch auf ein Viertel des Erbes - auch dann, wenn nur ein Kind als Haupterbe vorhanden ist. Lebenspartner einer eingetragenen Partnerschaft sind Ehepartnern gleichgesetzt.
  • Gesetzliche Erben können auch enterbt werden. Ihnen steht trotzdem ein Pflichtteil zu: Die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  • Ehepartner bilden üblicherweise eine Zugewinn­gemeinschaft. Durch sie erhöht sich der Erbteil des noch lebenden Partners um ein weiteres Viertel. Ihm steht damit die Hälfte der Erbmasse zu.

So funktioniert die gesetzliche Erbfolge

Der reguläre Erbanspruch ergibt sich aus der gesetzlichen Erbfolge oder der sogenannten "gewillkürten" Erbfolge mit Testament oder Erbvertrag. Liegt nach dem Tod eines Erblassers kein Testament vor, wird der Nachlass nach dem Grad der Verwandtschaft aufgeteilt: Im deutschen Erbrecht findet dann das sogenannte Parentelsystem Anwendung. Ein Parentel oder mehrere Parentele (lat. parens - Elternteil bzw. parentes - Eltern) sind miteinander verbundene Angehörige einer Familie. Die gesetzliche Erbfolge ordnet den Erbanspruch nach Verwandtschaftsgrad in verschiedenen Ordnungen. Wird ein Angehöriger einer höheren Ordnung als Erbe ermittelt, sind alle Angehörigen nachfolgender Ordnung vom Erbe ausgeschlossen.

Wie wird ein Erbe ermittelt?

Im einfachsten Fall hat der oder die Verstorbene Kinder und Ehegatten hinterlassen. Leibliche und adoptierte Kinder stehen in der Rangfolge der gesetzlichen Erbfolge an oberster Stelle. Sind sie und Ehepartner am Leben und ermittelbar, sind entferntere Verwandte bereits vom Erbe ausgeschlossen (§ 1930 BGB). Hinterlässt der Tote allerdings keine Kinder und gibt es auch keine Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner, kommen Angehörige zweiter Ordnung zum Zuge.
Ausgangspunkt jeder Erbenermittlung ist der oder die Verstorbene: Von ihm ausgehend werden Kinder und Enkelkinder, Ehepartner oder nähere und entferntere Verwandte ermittelt.
Auch verstorbene Familienmitglieder sind an dieser Stelle relevant: Denn auch ihre Abkömmlinge können in der Erbfolge eingesetzt werden (sog. “Eintrittsrecht”), wenn sich sonst keine Erben ermitteln lassen. Um potenzielle Erben zu ermitteln können ein Stammbaum oder eine Ahnentafel herangezogen werden. Wichtig: Angeheiratete Verwandte wie Schwager, Schwägerinnen etc. müssen im Stammbaum zur Erbenermittlung nicht erfasst werden. Allein die Blut­sverwandtschaft ist ausschlaggebend zur Berücksichtigung in der gesetzlichen Erbfolge - und damit auch für die Höhe der zu entrichtenden Erbschaftssteuer.

Stammbaum Beispiel Hierarchie
Ein Stammbaum ist die einfachste und sinnvollste Form der Orientierung darüber, wer in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis steht, wenn es darum geht, einen gesetzlichen Erben auszumachen.

Diese Ordnungen gelten bei der Erbenermittlung

Das Gesetz teilt die Verwandten des Erblassers in Ordnungen ein. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt die Reihenfolge:

  1. Ordnung: Direkte Abkömmlinge (Kinder, Enkel und Urenkel)
  2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also die Geschwister des Erblassers)
  3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel und Tanten des Erblassers)
  4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
  5. Ordnung: Entfernte Voreltern (Ururgroßeltern und deren Abkömmlinge)

Die gesetzliche Regelung bestimmt, dass innerhalb einer Ordnung zuerst die nächsten Verwandten des Verstorbenen erben: Also erben Kinder vor Enkeln, Eltern vor Geschwistern und Großeltern vor Onkeln und Tanten. Wichtig: Das gesetzliche Erbrecht des Ehepartners oder Lebenspartners besteht unabhängig vom Erbrecht der Blut­sverwandten.

Stammbaum mit Ordnungen
Je direkter Erblasser und Erbe miteinander verwandt sind, desto größer ist der Erbanteil des hinterbliebenen Erben.

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Erben erster Ordnung

Als Abkömmlinge des Erblassers gelten nach § 1924 BGB Kinder, Enkelkinder und Urenkel, denn sie alle sind in direkter Linie mit dem Erblasser verwandt. Dabei gilt das sog. Repräsentationsprinzip: Zunächst erben Kinder, dann die Enkel, dann die Urenkel. Dabei stehen auch uneheliche, aber leibliche Kinder gleichberechtigt neben ehelichen Kindern. Sie werden also zu gleichen Anteilen am Nachlass beteiligt. Dasselbe gilt für adoptierte und angenommene Kinder. Ist ein Kind des Erblassers als Haupterbe ermittelt, sind dessen Kinder (also die Enkel des Erblassers) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Denn mit der Einsetzung des Kindes selbst ist der Repräsentation des Familienstamms Genüge getan. Erst wenn die Kinder des Erblassers bereits verstorben sind, treten Enkel als gesetzliche Erben an ihre Stelle. Sind weder Kinder noch Enkel ermittelbar, dann erlischt der Stamm als solcher, und seine Erbquote fällt den Erben der näheren Verwandtschaft, also der zweiten Ordnung zu.

Auch adoptierte Kinder werden übrigens zu den gesetzlichen Erben ihrer Adoptiveltern. Erbansprüche gegenüber den ursprünglichen leiblichen Eltern gehen demgegenüber mit der Adoption verloren. Stiefkinder und nicht adoptierte Kinder in Patchworkfamilien gelten nicht als gesetzliche Erben. Wenn sie dennoch beim Erbe berücksichtigt werden sollen, muss der Erblasser das explizit in einer letztwilligen Verfügung, also einem Testament oder Erbvertrag festhalten. Erfahren Sie dazu auch mehr in unserer Übersicht "Wer sollte wie vorsorgen?" und unserem Artikel "Unverheiratete Paare - So sollten Sie vorsorgen"

Erben zweiter Ordnung

Erben zweiter Ordnung werden als Erben eingesetzt, wenn der Erblasser keine direkten Abkömmlinge hinterlässt (§ 1925 BGB). Als Erben zweiter Ordnung gelten:

  • Die Eltern des Erblassers
  • Geschwister des Erblassers als Abkömmlinge seiner Eltern
  • Kinder der Geschwister, also Nichten und Neffen des Erblassers
  • Enkelkinder der Geschwister

Sind Mutter und Vater des Verstorbenen noch am Leben, dann erben beide jeweils die Hälfte des Nachlass­es ihres Kindes. Ist nur noch ein Elternteil am Leben, erben die Geschwister des Erblassers als weitere Abkömmlinge seinen Anteil. Hat der Verstorbene keine Geschwister und lebt nur noch ein Elternteil, dann erbt der hinterbliebene Elternteil allein.

Erben dritter Ordnung

Als Erben dritter Ordnung gelten die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, damit dann also auch Onkel und Tanten des Verstorbenen (§ 1926 BGB). Auch deren Kinder, also die Cousins und Cousinen, kommen dann als Erben in Frage, wenn Großeltern, Onkel und Tanten bereits nicht mehr am Leben sind.

Erben vierter und fünfter Ordnung

Erben vierter Ordnung sind Urgroßeltern und deren Nachkommen, also Onkel und Tanten 2. Grades, sowie Cousins und Cousinen 2. Grades. Auch wenn Erben fünfter Ordnung in der Rechtspraxis in Deutschland rein zahlenmäßig kaum eine Rolle spielen, kommen nach geltendem Recht auch die Ururugroßeltern des Verstorbenen und ihre Abkömmlinge als Erben in Frage.

Was erbt der Partner?

Da zwischen Ehegatten keine Blut­sverwandtschaft besteht, sind sie nicht Teil des Parentelsystems., allerdings gehen beide Partner mit der Heirat den Güterstand der Zugewinn­gemeinschaft ein. Sie werden also keiner Ordnung zugerechnet, sondern genießen einen davon unabhängigen Erbanspruch. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner gelten als nächste Angehörige des Erblassers. Im Regelfall steht dem verbleibenden Ehegatten ein Viertel der Erbmasse zu, gegenüber Angehörigen zweiter Ordnung wie Eltern und Geschwistern des Verstorbenen sogar die Hälfte. Welche Erbquote ihnen tatsächlich zusteht hängt letztlich von verschiedenen Faktoren ab:

  1. Welche lebenden Verwandten des Erblassers gibt es?
  2. Zu welcher Ordnung gehören diese Verwandten?
  3. In welchem Vermögensgüterstand lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls?

Weitere Informationen zur Erbschaft des Partners erhalten Sie in unserem Artikel "Erbschaft: Was erbt der Partner?".

Gesetzliches Erbrecht des Fiskus

Sind keine Verwandten eines unverheirateten Erblassers ermittelbar, nimmt der Staat sein gesetzliches Erbrecht wahr, und der Nachlass geht auf das Bundesland über, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

Gesetzliche Erbfolge vermeiden? Testament verfassen!

Die gesetzliche Erbfolge bestimmt wer den Verstorbenen letztendlich beerbt, wenn keine letztwillige Verfügung in Form eines Testaments oder Erbvertrags hinterlassen wurde. Liegt ein solches Dokument jedoch vor, kann die gesetzliche Erbfolge in Teilen außer Kraft gesetzt werden:
Der Erblasser kann jede natürliche oder juristische Person als Erben einsetzen, mit einem Erbanteil bedenken oder ihr ein Vermächtnis in Form von Geld oder Sachwerten hinterlassen. Ein notarielles, öffentliches Testament wird anschließend beim zuständigen Nachlass­gericht oder dem Zentralen Testamentsregister der Bundes­notarkammer hinterlegt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Erben unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls darüber informiert werden, dass sie erbberechtigt sind. Auch eine Teilungs­anordnung und Testaments­vollstreckung lassen sich im gleichen Zuge festhalten.
Da persönliche Wünsche nur dann berücksichtigt werden können, wenn ein rechtsgültiges Dokument zur Erbschaftsregelung vorliegt, sollten Interessierte rechtzeitig ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen. Eine Testament Vorlage zur Anschauung finden Sie in unserem Portfolio - und mit Afilio können Sie ganz einfach schon heute Ihr persönliches, rechtsgültiges Testament erstellen.

Quellen

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