Welche Leistungen bietet die gesetzliche Unfall­versicherung?

von Christina Horst
08.06.2020 (aktualisiert: 10.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Die gesetzliche Unfall­versicherung ist eine der fünf Sozial­versicherungen in Deutschland. Zu den Trägern gehören Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
  • Arbeitnehmer sind über ihren Arbeitgeber automatisch versichert und müssen selbst keine Beiträge bezahlen. Viele weitere Personengruppen, z. B. Schüler, Studenten und bestimmte Ehrenamtliche, genießen ebenfalls den kostenlosen gesetzlichen Unfallschutz.
  • Bei einem Arbeits- bzw. Wegeunfall oder einer Berufskrankheit erhalten Betroffene Rehabilitations- und ggf. finanzielle Leistungen wie Verletzten-, Übergangs- und Pflege­geld oder eine Rente.
  • Stirbt der Versicherte durch eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall, sichern Leistungen wie Witwen- bzw. Witwer- und Waisenrenten die Hinterbliebenen ab.
  • Zu den Aufgaben der gesetzlichen Unfall­versicherung gehört auch die Prävention, wie z. B. Schulungen zum Arbeitsschutz in Betrieben.

Was ist die gesetzliche Unfall­versicherung?

Die gesetzliche Unfall­versicherung ist eine der fünf gesetzlichen Sozial­versicherungen in Deutschland, die allerdings im Vergleich zu den restlichen – Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosen­versicherung – eher unbekannt ist. Dabei zählen laut des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfall­versicherung (DGUV) rund 65 Millionen Arbeitnehmer, Selbstständige, Ehrenamtliche und viele weitere Personen zu den Versicherten. Hinzu kommen mehr als 17 Millionen Kinder, Schüler und Studenten, die über ihre Bildungs- und Betreuungseinrichtungen versichert sind (Stand 2018).

Der relativ geringe Bekanntheitsgrad der gesetzlichen Unfall­versicherung hat vor allem damit zu tun, dass Versicherte im Normalfall kaum direkte Berührungspunkte mit ihr haben: Die Anmeldung beim Unfall­versicherungsträger, wie z. B. bei einer Berufsgenossenschaft oder einer Unfallkasse, erfolgt über den Arbeitgeber bzw. bei Versicherten ohne Beschäftigungsverhältnis über die zuständige Institution. Für Versicherte fallen dabei keine Kosten an: Die gesetzliche Unfall­versicherung ist rein arbeitgeberfinanziert. Bei einem Teil der Versicherten zahlt die öffentliche Hand die Beiträge.

Anspruch auf Leistungen besteht, wenn der Versicherte einen Arbeitsunfall bzw. Wegeunfall hat oder seine Tätigkeit zu einer Berufskrankheit führt – vorausgesetzt, die Versicherung erkennt die Verletzung bzw. Erkrankung als Versicherungsfall an. Der zuständige Träger übernimmt im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen die Kosten für die medizinische Rehabilitation des Betroffenen und erbringt bei Bedarf außerdem Leistungen zur beruflichen und sozialen Teilhabe. Außerdem gibt es finanzielle Leistungen, die es Betroffenen erleichtern sollen, ins Arbeitsleben zurückzufinden. Bleibt die Erwerbsfähigkeit des Versicherungsnehmers trotz dieser Maßnahmen vermindert, hat er Anspruch auf eine Rente. Verstirbt der Versicherte aufgrund des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit, zahlt die gesetzliche Unfall­versicherung seinen Hinterbliebenen z. B. eine Witwen- bzw. Witwer- und eine Waisenrente.

Zum Aufgabenbereich der gesetzlichen Unfall­versicherung gehört aber auch die Prävention: So sorgt sie beispielsweise durch die regelmäßige Überprüfung von Arbeitsschutzmaßnahmen in Unternehmen dafür, dass die Gefahr für Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen reduziert wird. Die Rechtsgrundlage für diesen Zweig der Sozial­versicherung ist das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Wer ist gesetzlich unfallversichert?

Junge Frau hilft alter Dame beim Bügeln
Auch Personen, die in Privathaushalten angestellt oder als pflegende Angehörige ehrenamtlich tätig sind, sind gesetzlich unfallversichert.

Eine Vielzahl von Personengruppen ist gesetzlich unfallversichert – auch wenn viele Versicherte sich dessen gar nicht bewusst sind. Das Alter des Versicherten spielt in der gesetzlichen Unfall­versicherung keine Rolle, auch Geschlecht, Familienstand und Nationalität sind unerheblich. Wichtig ist außerdem: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sein Unternehmen beim zuständigen Träger der gesetzlichen Unfall­versicherung anzumelden. Selbst wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt oder keine Beiträge bezahlt, entsteht den Beschäftigten kein Nachteil: Der Versicherungsschutz gilt trotzdem.

Zu den versicherten Personengruppen gehören:

  • alle abhängig Beschäftigten, darunter Minijobber, Personen, die in Privathaushalten beschäftigt sind (z. B. Reinigungskräfte, Haushaltshilfen, Betreuer für Kinder) und Angestellte im öffentlichen Dienst
  • Selbstständige und Ehrenamtliche in bestimmten Berufen, etwa im Gesundheits­dienst (z. B. Physiotherapeuten, Hebammen), in der Wohlfahrtspflege und in der Landwirtschaft
  • Unternehmer und andere Selbstständige, die sich freiwillig in der gesetzlichen Unfall­versicherung anmelden
  • Kinder und Jugendliche, die in einer Tageseinrichtung oder durch Tagespflegepersonen betreut werden
  • Schüler während des Besuchs einer allgemein- oder berufsbildenden Schule und während der Betreuung vor oder nach dem Unterricht (einschließlich Privatschulen)
  • Studierende, die an einer Universität oder Fachhochschule immatrikuliert sind (einschließlich Studierende in dualen Studiengängen)
  • behinderte Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen bzw. in Heimarbeit für eine solche Einrichtung tätig sind
  • Personen, die an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, wenn der Träger und das Bildungsziel anerkannt sind
  • Personen, die auf Kosten eines Unfall­versicherungsträgers an Maßnahmen zur Prävention von Berufskrankheiten teilnehmen oder auf Kosten der gesetzlichen Kranken- oder Renten­versicherung eine ambulante oder (teil-)stationäre Behandlung bzw. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten
  • Personen, die im Rahmen des Selbsthilfebaus an der Schaffung öffentlichen Wohnraums mitwirken
  • Arbeitslose und Arbeitssuchende, die nach Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit an einer Maßnahme teilnehmen
  • bestimmte Ehrenamtliche, die im Interesse der Allgemeinheit bzw. im Auftrag einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts tätig sind (z. B. Wahlhelfer, Schöffen, im Zivilschutz tätige Personen, Nothelfer, Blut­spender, Organ- und Gewebespender, pflegende Angehörige)

Gut zu wissen: Beamte sind nicht über die gesetzliche Unfall­versicherung, sondern über die Unfallfürsorgeleistungen der Beamtenversorgung abgesichert.

Unfall­versicherungsträger

Die Leistungen der gesetzlichen Unfall­versicherung werden von einzelnen Trägern erbracht, die für unterschiedliche Gruppen von Versicherten zuständig sind. Die Unfall­versicherungsträger sind in drei Bereiche gegliedert:

  • Für die gewerbliche Wirtschaft sind neun branchenspezifische Berufsgenossenschaften zuständig (z. B. Rohstoffe und chemische Industrie, Holz und Metall, Nahrungsmittel und Gastgewerbe, Verwaltung).
  • Für landwirtschaftliche Betriebe ist die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der Sozial­versicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) zuständig.
  • Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind über die Unfall­versicherungsträger der öffentlichen Hand versichert. Dazu zählen die regional gegliederten Unfallkassen und Gemeindeunfall­versicherungsverbände sowie die Feuerwehr-Unfallkassen und die Unfall­versicherung Bund und Bahn. Auch für diejenigen, die ohne Beschäftigungsverhältnis gesetzlich unfallversichert sind, sind diese Träger zuständig.

Die Berufsgenossenschaften und die Unfall­versicherungsträger der öffentlichen Hand bilden seit 2007 den Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfall­versicherung.

Wann zahlt die gesetzliche Unfall­versicherung?

Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfall­versicherung haben Versicherte, wenn sie durch einen Arbeits- bzw. Wegeunfall verletzt werden oder aufgrund ihrer Tätigkeit an einer Berufskrankheit leiden. Ob ein Unfall oder eine Krankheit tatsächlich als Versicherungsfall anerkannt wird, hängt von den genauen Umständen ab. Nicht immer ist eindeutig, ob die Verletzung oder Erkrankung im Rahmen einer versicherten Tätigkeit aufgetreten ist: Es gibt bekanntermaßen Grauzonen zwischen Arbeit und Freizeit – bei einem Ausflug mit Kollegen kann es sich beispielsweise um ein organisiertes Teamevent handeln, aber auch um eine private Unternehmung. Wichtig für die Anerkennung ist des Weiteren, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Gesundheits­schaden gibt – tritt eine Erkrankung – z. B. ein Herzinfarkt – nur zufällig während der Arbeitszeit auf, erkennt der Versicherer sie nicht als Berufskrankheit an. Manchmal muss vor Gericht entschieden werden, ob es sich um einen Versicherungsfall handelt und der Betroffene Anspruch auf Leistungen hat.

Arbeitsunfall

Ein Arbeits- bzw. Wegeunfall liegt vor, wenn der Versicherte bei der Arbeit oder auf dem direkten Hin- oder Rückweg verletzt wird. Geschieht der Unfall auf einem Umweg, den der Betroffene aufgrund einer Fahrgemeinschaft oder für die Organisation der Kinderbetreuung genommen hat, erkennt die Versicherung ihn üblicherweise als Wegeunfall an. In der Regel sind Arbeitnehmer auch während der Teilnahme an Betriebssport, -ausflügen oder -feiern versichert. Bei Versicherten ohne Beschäftigungsverhältnis gilt dasselbe Prinzip: So sind Schüler beispielsweise in der Schule sowie auf dem Hin- und Rückweg versichert. Im Versicherungsfall ist unerheblich, wer den Unfall verursacht hat.

Berufskrankheit

Patient mit verbundenem Handgelenk beim Arzt
Nicht alle Beschwerden, die im Zusammenhang mit der Arbeit auftreten, erkennt die gesetzliche Unfall­versicherung als Berufskrankheiten an. Es kommt auf die genauen Umstände an.

Die Berufskrankheitenverordnung (BKV) listet derzeit rund 80 Berufskrankheiten auf. Zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland zählen Schwerhörigkeit durch Lärm, Hautkrebs durch UV-Strahlung sowie Asbestose (Asbestlunge). Auch allergische Atemwegserkrankungen, chronische Schädigungen an Gelenken oder der Wirbelsäule sowie Infektionskrankheiten sind für bestimmte Berufsgruppen typisch. Am häufigsten angezeigt, aber relativ selten anerkannt werden Hauterkrankungen. Entscheidend für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass sie durch besondere Einwirkungen entstanden ist, denen der Betroffene durch seine Arbeit erheblich stärker ausgesetzt war als der Rest der Bevölkerung. Darum werden „Volkskrankheiten“ wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Muskel- und Skeletterkrankungen in der Regel nicht anerkannt.

Meldepflicht

Um Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen, muss der Arbeitsunfall bzw. die Berufskrankheit rechtzeitig gemeldet werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, beim zuständigen Träger Unfallanzeige zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer infolge des Arbeits- oder Wegeunfalls mehr als drei Kalendertage arbeitsunfähig ist (der Unfalltag wird nicht mitgezählt). Verstirbt der Arbeitnehmer bei dem Unfall, muss der Arbeitgeber dies sofort melden. Bei Berufskrankheiten beginnt die dreitägige Meldefrist, sobald der Unternehmer über die Erkrankung in Kenntnis gesetzt wurde. Dabei genügen bereits Anzeichen für eine Berufskrankheit – es muss noch keine ärztliche Bestätigung vorliegen. Der Betriebsrat muss die Unfallanzeige bzw. die Meldung der Berufskrankheit unterzeichnen, Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft müssen informiert werden.

Aufgaben und Leistungen der gesetzlichen Unfall­versicherung im Detail

Die Aufgaben der gesetzlichen Unfall­versicherung umfassen laut SGB XII zwei Kernbereiche:

1. die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheits­gefährdungen

2. die Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Menschen, die einen Arbeitsunfall hatten oder an einer Berufskrankheit leiden sowie die finanzielle Entschädigung der Betroffenen und ihrer Angehörigen

Prävention

Damit der Versicherungsfall möglichst gar nicht erst eintritt, führt die gesetzliche Unfall­versicherung Präventionsmaßnahmen in Unternehmen durch. Experten beraten und schulen Arbeitgeber zum Thema Arbeitsschutz, wie z. B. Lärmschutz, Hygiene, Ergonomie, ermitteln Unfallursachen und Gefahrenquellen vor Ort und überprüfen die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften. Nach Angaben des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfall­versicherung hat sich das Risiko für Arbeitsunfälle in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert. Doch selbst durch gewissenhafte Prävention lassen sich berufsbedingte Unfälle und Krankheiten nicht ganz verhindern. Im Versicherungsfall haben Betroffene Anspruch auf Rehabilitations- sowie ggf. auf Geldleistungen.

Rehabilitation

Patient macht Gehübungen mit Hilfe einer Physiotherapeutin
Die gesetzliche Unfall­versicherung hat die Aufgabe, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Versicherten wiederherzustellen. Der erste Schritt ist immer eine medizinische Reha.

Die Aufgabe der Unfall­versicherung besteht laut SGB darin, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Geschädigten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen. Dafür erhält er zunächst die notwendige Heil­behandlung. Diese umfasst

  • die Erstversorgung,
  • die ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz,
  • die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,
  • die häusliche Kranken­pflege,
  • die Behandlung im Kranken­haus oder einer Rehabilitationseinrichtung sowie
  • weitere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Ziel der Rehabilitation ist es laut SGB IX, behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen Selbstbestimmung und eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Nach der medizinischen Reha sollte der Betroffene also wieder uneingeschränkt arbeiten und seinen Alltag bewältigen können.

Ist dies nicht der Fall, erbringt die gesetzliche Unfall­versicherung zusätzlich Leistungen zur beruflichen Teilhabe: z. B. durch den Umbau des Arbeitsplatzes, geeignete Hilfsmittel oder eine Arbeitsassistenz. Falls der Betroffene seine frühere Tätigkeit nicht mehr aufnehmen kann, wird dennoch versucht, das Beschäftigungsverhältnis zu erhalten, z. B. durch Qualifizierung für eine andere Stelle im gleichen Unternehmen. Ist das nicht möglich, unterstützt die Versicherung die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, etwa durch Hilfe bei der Stellensuche. Bei Bedarf erhalten Versicherte auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, um ihren Alltag selbstbestimmt und unabhängig gestalten zu können. Unter anderem kann der Träger Kosten für die Anschaffung eines Autos bzw. einer behindertengerechten Zusatzausstattung übernehmen, den Umzug in eine barrierefreie Wohnung mitfinanzieren oder dem Betroffenen eine Haushaltshilfe bezahlen.

Entschädigung

Die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben und in die Gemeinschaft unterstützt die gesetzliche Unfall­versicherung auch finanziell: mit Verletztengeld, Übergangsgeld und Pflege­geld. Liegt auch nach der Rehabilitation noch eine längere oder dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit vor, haben Betroffene Anspruch auf eine Rente. Allerdings gilt der Grundsatz: „Reha vor Rente“ – letztere wird also erst dann gezahlt, wenn alle Möglichkeiten der Rehabilitation ausgeschöpft sind. Verläuft eine Berufskrankheit tödlich oder verstirbt der Versicherte durch einen Arbeitsunfall, unterstützt die Versicherung die Hinterbliebenen finanziell und trägt so dazu bei, den Verlust des Einkommens und die Zusatzbelastungen durch den Todesfall abzufedern.

Verletztengeld

Das Verletztengeld der gesetzlichen Unfall­versicherung wird über die Kranken­kassen ausgezahlt, allerdings ist es nicht mit dem Kranken­geld zu verwechseln, auch wenn es einige Gemeinsamkeiten gibt. Das Verletztengeld soll den Entgeltverlust des Geschädigten ausgleichen, bis er wieder arbeiten kann. Im Normalfall erhalten Betroffene zunächst sechs Wochen lang eine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, im Anschluss dann das Verletztengeld der Unfall­versicherung. Die Zahlung endet mit dem letzten Tag der Arbeits­unfähigkeit bzw. sobald der Betroffene Übergangsgeld erhält. Verletztengeld wird maximal 78 Wochen lang gezahlt. Der wichtigste Unterschied zum Kranken­geld: Das Verletztengeld ist höher, denn es beträgt 80 Prozent des Bruttoentgelts und entspricht höchstens dem Nettoentgelt. Beim Kranken­geld erhalten Betroffene nur 70 Prozent des Brutto- und maximal 90 Prozent des Nettolohns - es leistet also ungefähr den gleichen Umfang einer Arbeits­unfähigkeits­versicherung.

Übergangsgeld

In einigen Fällen müssen Versicherte nach der medizinischen Rehabilitation an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, um einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Während der Fortbildung oder Umschulung zahlt die Unfall­versicherung Übergangsgeld. Hat der Empfänger mindestens ein Kind oder ist pflegebedürftig, beträgt das Übergangsgeld 75 Prozent des Verletztengeldes, ansonsten 68 Prozent. Bricht er die Maßnahme vorzeitig ab oder findet nach der Qualifizierung nicht gleich einen Job, kann das Übergangsgeld noch für einen bestimmten Zeitraum weitergezahlt werden.

Pflege­geld

Ist der Geschädigte nach seinem Arbeitsunfall oder aufgrund der Berufskrankheit pflegebedürftig, steht ihm, solange er Hilfe benötigt, ein Pflege­geld der Unfall­versicherung zu. Die Höhe wird jährlich an die Entwicklung der Renten in Deutschland angepasst. Ab 1. Juli 2020 beträgt das Pflege­geld je nach Schwere der Beeinträchtigung zwischen 369 Euro und 1.542 Euro pro Monat. Auf Antrag erhalten Versicherte anstelle des Pflege­gelds Leistungen für eine häusliche Pflege­kraft oder die Pflege im Heim.

Wichtig: Pflege­geld ist auch eine Leistung der gesetzlichen Pflege­versicherung. Ob Betroffene zusätzlich Anspruch auf Leistungen ihrer Pflege­kasse haben, wird von Fall zu Fall entschieden, denn dabei spielt z. B. eine Rolle, ob sie bereits vor dem Versicherungsfall pflegebedürftig waren.

Renten

Nahaufnahme der Hand eines Rollstuhlfahrers, die den Reifen bewegt
Bleibt die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach dem Arbeitsunfall oder aufgrund der Berufskrankheit dauerhaft um mindestens 20 Prozent vermindert, hat er Anspruch auf eine Rente der gesetzlichen Unfall­versicherung.

Ist die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Folge der Berufskrankheit oder des Arbeitsunfalls länger als 26 Wochen um mindestens 20 Prozent vermindert, zahlt der Unfall­versicherungsträger eine Verletztenrente. Anspruch besteht, sobald die medizinische Rehabilitation abgeschlossen ist bzw. – falls der Betroffene während der Reha keinen Anspruch auf Verletztengeld hat – mit Beginn der Arbeits­unfähigkeit. Für die Höhe der Rente sind zwei Faktoren ausschlaggebend:

  • der Jahresarbeitsverdienst (JAV)
  • der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Der JAV umfasst alle Arbeitsentgelte und -einkommen in den 12 Monaten vor dem Unfall bzw. der Erkrankung, wobei gesetzliche Mindest- und Höchstbeträge gelten. Den MdE legt die Unfall­versicherung auf Grundlage eines ärztlichen Gutachtens fest. Eine Vollrente – zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes – erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit um 100 Prozent gemindert ist. Eine Teilrente zahlt der Versicherungsträger, wenn der MdE mindestens 20 Prozent beträgt – der Betroffene erhält dann 20 Prozent der Vollrente bzw. entsprechend mehr bei einem höheren MdE.

Beispiel:

Jahresarbeitsverdienst: 36.000 Euro

Vollrente (MdE 100 Prozent): 24.000 Euro pro Jahr bzw. 2.000 Euro pro Monat

Teilrente (MdE 20 Prozent): 4.800 Euro pro Jahr bzw. 400 Euro pro Monat

Unter Umständen können sich Versicherte die Rente abfinden lassen, also eine einmalige anstelle der monatlichen Zahlung wählen. Besteht gleichzeitig Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente der Deutschen Renten­versicherung, gilt eine Beschränkung hinsichtlich der Gesamthöhe.

Leistungen an Hinterbliebene

Bei tödlichen Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten sind die Hinterbliebenen ebenfalls über die gesetzliche Unfall­versicherung abgesichert. Sie erhalten ein pauschales Sterbegeld für die Kosten der Bestattung, unter Umständen können auch Überführungskosten bezahlt werden. Um das weggefallene Einkommen auszugleichen, wird den Hinterbliebenen eine Rente ausbezahlt, alle Renten zusammen dürfen höchstens 80 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen betragen. Da meist auch Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente der Renten­versicherung besteht, wird auch hier der Gesamtanspruch geprüft. Anspruch auf Leistungen der Unfall­versicherung haben Witwer und Witwen bzw. eingetragene Lebenspartner, wenn sie nicht wieder geheiratet haben; Kinder bekommen Waisenrente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (manchmal auch bis Vollendung des 27. Lebensjahres). Haben frühere Ehe- oder Lebenspartner oder die Eltern vom Versicherten im Jahr vor seinem Tod Unterhalt erhalten, haben sie eventuell ebenfalls Anspruch.

Benötige ich zusätzlich eine private Unfall­versicherung?

Die meisten Menschen unterschätzen, wie viele Unfälle abseits des Berufslebens passieren – nicht nur durch riskante Hobbys oder im Straßenverkehr, sondern auch schlicht im Haushalt. Bei Unfällen, die in der Freizeit passieren, besteht jedoch grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfall­versicherung. Eine private Unfall­versicherung sorgt hingegen dafür, dass Sie beispielsweise bei der Arbeit an Haus und Garten oder beim Sport abgesichert sind, wenn doch einmal etwas passiert. Auch wenn Ihnen Leistungen der gesetzlichen Unfall­versicherung entgehen, weil diese Ihre Erkrankung oder Verletzung nicht als Versicherungsfall anerkennt, kann eine private Versicherung hilfreich sein.

Tipp: Wann ist eine Unfall­versicherung sinnvoll? In unserem Ratgeber erfahren Sie mehr.

Mitunter bietet eine Berufsunfähigkeits­versicherung noch bessere Leistungen als eine private Unfall­versicherung. In jedem Fall sollten Sie die Konditionen gründlich prüfen, damit Sie im Ernstfall tatsächlich Ansprüche geltend machen können.

Quellen

Christina Horst

Christina Horst war bis Januar 2021 Content Managerin bei Afilio und schrieb vor allem über Vorsorge­themen wie die Patienten­verfügung und die Vorsorge­vollmacht. Zuvor war sie als Online-Redakteurin und Lektorin in Unternehmen und Agenturen sowie als freie Journalistin tätig.

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