Pflege­bedürftigkeit: Wann ist ein Mensch pflegebedürftig?

von Afilio
25.02.2021 (aktualisiert: 25.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Pflege­bedürftig ist, wer in seiner Selbständigkeit beeinträchtigt und für mindestens sechs Monate auf pflegerische Unterstützung angewiesen ist. Die Pflege­bedürftigkeit einer Person wird im Rahmen einer medizinischen Begutachtung ermittelt: Je geringer das Maß der Selbständigkeit, desto größer die Pflege­bedürftigkeit.
  • Dem Unterstützungsbedarf entsprechend wird Betroffenen ein Pflege­grad zuerkannt, der Voraussetzung für den Anspruch auf Pflege­leistungen ist.

Foto: Shutterstock/ News Africa

Was ist Pflege­bedürftigkeit?

Pflege­bedürftigkeit liegt vor, wenn eine Person im Alltag regelmäßig und dauerhaft Unterstützung oder Versorgung benötigt, etwa als Folge einer chronischen Erkrankung, von körperlichen oder psychischen Einschränkungen, einer Behinderung oder aufgrund von Alterserscheinungen.

Um Anspruch auf Pflege­leistungen geltend machen können, ist eine medizinische Begutachtung erforderlich, die vom Medizinischen Dienst der Kranken­kassen (MDK) oder MEDICPROOF (bei Privatversicherten) vorgenommen wird. Im Rahmen dieser Begutachtung wird die verbliebene Selbständigkeit ermittelt. Liegt Pflege­bedürftigkeit vor, erkennt die zuständige Pflege­kasse Betroffenen einen Pflege­grad zu, der Grundlage für den Anspruch auf Leistungen ist.

Gründe und Ursachen

Für Pflege­bedürftigkeit kann es zahlreiche Gründe und Ursachen geben: Unfälle, Schicksalsschläge oder Zufälle spielen hier genauso eine Rolle wie plötzlich auftretende oder langfristig fortschreitende Krankheiten (z.B. COPD, Multiple Sklerose, Blut­hochdruck, Herzinsuffizienz oder rheumatische Erkrankungen wie Gicht oder Osteoporose). Aber auch psychische Ursachen können dazu führen, dass ein Mensch nicht länger in der Lage ist, seinen Alltag selbst zu bewältigen, bekannte Störungen bzw. Krankheiten des Nervensystems sind etwa Altersdepression, Demenz und Parkinson.

Was können Betroffene und Angehörige tun?

Im Akutfall, etwa nach einem schweren Schlaganfall oder Herzinfarkt wird die zuständige Sozialstation einer Klinik Betroffene und Angehörige dabei unterstützen, schnellstmöglich Pflege­bedürftigkeit festzustellen, einen entsprechenden Pflege­grad zu beantragen und Leistungen der zuständigen Pflege­kasse in Anspruch zu nehmen.

Nicht immer jedoch sind Betroffene schlagartig pflegebedürftig. Häufig sinkt die Alltagskompetenz Betroffener eher sukzessive als punktuell. Ein erster Schritt vor dem Antrag auf Anerkennung der Pflege­bedürftigkeit kann darum ein über mehrere Wochen geführtes Alltagsprotokoll sein, das verbleibende Fähigkeiten und vorliegenden Unterstützungsbedarf nach Bereichen aufführt. Je häufiger und intensiver eine Person auf Unterstützung angewiesen ist, desto wahrscheinlicher ist, es dass sie pflegebedürftig ist.

Alter Mann mit Gehtstock
In vielen Fällen tritt Pflege­bedürftigkeit nicht plötzlich, sondern sukzessive ein. Sinnvoll ist es, Betroffene schrittweise auf ein Leben mit Unterstützung vorzubereiten.

Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, mit behandelnden Ärzten oder einer Pflege­beratungsstelle darüber in Austausch zu treten, inwieweit sie einen Antrag auf Pflege­leistungen für sinnvoll und geboten halten. Kommen Betroffener, Angehörige und behandelnde Ärzte überein, dass Handlungsbedarf besteht, kann ein Antrag auf Pflege­leistungen bei der zuständigen Pflege­kasse gestellt werden (mehr dazu auch in unserem Artikel, wie Sie einen Pflege­grad beantragen können).

Voraussetzung für die Anerkennung der Pflege­bedürftigkeit ist der Antrag eines betroffenen Versicherten oder eines Bevollmächtigten. Im Anschluss einen Antrag auf Pflege­leistungen wird der Hilfebedarf des Betroffenen im Rahmen der medizinischen Begutachtung festgestellt. Liegt Pflege­bedarf vor, wird die Pflege­versicherung den Betroffenen ihm einen Pflege­grad zusprechen, der dem Grad seines Unterstützungsbedarfs entspricht.

Wie wird die Pflege­bedürftigkeit einer Person festgestellt?

Wenn Betroffene, Ärzte oder pflegende Angehörige einen Pflege­grad beantragen, wird ein medizinischer Gutachter mit der Einschätzung des Gesundheits­zustands beauftragt. Der Gutachter stellt anhand fester Richtlinien den individuellen Pflege­bedarf des Betroffenen fest. Hierzu verschafft er sich durch einen Besuch beim Versicherten einen Begriff vom Zustand des Antragstellers. Grundlage zur Beurteilung sind sechs Einzelbereiche zur Überprüfung des Individualzustands, der im Rahmen des Neuen Begutachtungs­assessments (NBA) ermittelt wird.

Mit dem neuen Begutachtungsmodell, das die Grundlage für die Einstufung in die Pflege­grade 1 bis 5 bildet, wurden sechs Teilbereiche zur Begutachtung etabliert:

  1. Mobilität: Wie selbständig ist der Begutachtete in puncto Beweglichkeit?
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kommt der Antragsteller allein im Alltag zurecht?
  3. Liegen Auffälligkeiten im Verhalten oder psychische Probleme vor?
  4. Kann sich der Antragsteller selbständig versorgen und sich um die eigene körperliche Hygiene kümmern?
  5. Bestehen krankheits- oder therapiebedingte Belastungen und kann der Antragsteller sie bewältigen?
  6. Pflegt der Begutachtete einen selbstbestimmten Alltag und soziale Kontakte?

In die Feststellung des Pflege­bedarfs fließen auch medizinische Unterlagen wie Krankheitsberichte, ärztliche Befunde oder Atteste, sowie Unterlagen ambulanter Pflege­dienste ein. Diese Unterlagen sollten Betroffene oder Angehörige beim Besuch des Gutachters bereithalten. Auf Basis aller gewonnen Informationen fertigt der beauftragte Gutachter eine Beurteilung an, die er an die Pflege­kasse übermittelt. Die Einschätzung des Gutachters dient der Pflege­kasse als Entscheidungsgrundlage, ob und welchen Pflege­grad sie ggf. vergibt. Sobald die Pflege­kasse über Anerkennung oder Ablehnung des Pflege­grades entschieden hat, informiert sie den Antragsteller. Mehr dazu in unserem Beitrag “MDK-Begutachtung vorbereiten”.

Wer kann Pflege­leistungen beantragen?

Einen Antrag auf Pflege­leistungen können die Betroffene oder bevollmächtigte Angehörige bei der Pflege­kasse stellen. Da die Pflege­kassen an die Kranken­versicherungen angegliedert sind, können Sie sich entweder zunächst telefonisch oder schriftlich an den zuständigen Ansprechpartner von der Kranken­versicherung wenden.

Diese Pflege­grade werden zuerkannt

Bis 2016 galt in der Pflege das System der Pflege­stufen: Pflege­stufe 1, Pflege­stufe 2 und Pflege­stufe 3, in die Pflege­bedürftige mit alters- oder krankheitsbedingtem Hilfebedarf eingestuft wurden. Psychische oder kognitive Einschränkungen wurden nach dem alten System von der Pflege­versicherung nur unzureichend berücksichtigt. Patienten mit Demenz oder Depressionen hatten so bei der Einschätzung häufig das Nachsehen.
Dieser Missstand wurde mit dem Pflege­stärkungsgesetz II behoben, seither gilt ein neuer Pflege­bedürftigkeitsbegriff, unter dem auch Betroffene mit psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen Chancen auf einen Pflege­grad haben, der ihren Anforderungen entspricht. Ausführliche Informationen zu Voraussetzungen, Bedingungen und Leistungen bei Pflege­grad 1, Pflege­grad 2, Pflege­grad 3, Pflege­grad 4 und Pflege­grad 5 finden Interessierte in unseren Überblicksartikeln.

Pfleger reicht älterem Menschen mit Pflegebedarf die Hand
Ob ältere oder kranke Menschen Hilfe im Alltag benötigen, entscheiden die Pflege­kassen.

Gesetzliche Grundlagen im SGB XI

Wann eine Person als pflegebedürftig gilt, ist im SGB XI in §§ 14 und 15 definiert. Hier sind die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen nachweislich Pflege­bedarf besteht. So gelten Menschen, die in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt und für mindestens sechs Monate auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind, als pflegebedürftig – mit einem Kriterienkatalog wird der Grad der Pflege­bedürftigkeit näher festgestellt.

Definition nach § 14 Abs. 1 SGB XI:

„Pflege­bedürftig […] sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträch­tigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträch­tigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflege­bedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.“

Das regelt der Gesetzgeber
Alle Gesetze zur Pflege auf einen Blick

In unserem Beitrag Gesetze zur Pflege: Die rechtlichen Grundlagen erfahren Sie, welche Paragraphen die wichtigsten Fragen rund um die Pflege regeln.

Wer zahlt bei Pflege­bedürftigkeit?

Ist Pflege­bedürftigkeit verbindlich festgestellt und ein Pflege­grad zuerkannt worden, haben Betroffene Anspruch auf vielfältige Leistungen der für sie zuständigen Pflege­kasse - von finanziellen Zuwendungen wie Pflege­geld oder Pflege­sachleistungen über Pflege­hilfsmittel bis hin zur Unterstützung zur Wohnraum­anpassung im Rahmen des barrierefreien Bauens und Wohnens. Erfahren Sie dazu auch mehr in unseren Ratgebern zur Pflege zuhause und zum Pflege­heim.

Quellen

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