Pflegebedürftigkeit: Wann ist ein Mensch pflegebedürftig?


- Pflegebedürftig ist, wer in seiner Selbständigkeit beeinträchtigt und für mindestens sechs Monate auf pflegerische Unterstützung angewiesen ist. Die Pflegebedürftigkeit einer Person wird im Rahmen einer medizinischen Begutachtung ermittelt: Je geringer das Maß der Selbständigkeit, desto größer die Pflegebedürftigkeit.
- Dem Unterstützungsbedarf entsprechend wird Betroffenen ein Pflegegrad zuerkannt, der Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegeleistungen ist.
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Was ist Pflegebedürftigkeit?
Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn eine Person im Alltag regelmäßig und dauerhaft Unterstützung oder Versorgung benötigt, etwa als Folge einer chronischen Erkrankung, von körperlichen oder psychischen Einschränkungen, einer Behinderung oder aufgrund von Alterserscheinungen.
Um Anspruch auf Pflegeleistungen geltend machen können, ist eine medizinische Begutachtung erforderlich, die vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder MEDICPROOF (bei Privatversicherten) vorgenommen wird. Im Rahmen dieser Begutachtung wird die verbliebene Selbständigkeit ermittelt. Liegt Pflegebedürftigkeit vor, erkennt die zuständige Pflegekasse Betroffenen einen Pflegegrad zu, der Grundlage für den Anspruch auf Leistungen ist.
Gründe und Ursachen
Für Pflegebedürftigkeit kann es zahlreiche Gründe und Ursachen geben: Unfälle, Schicksalsschläge oder Zufälle spielen hier genauso eine Rolle wie plötzlich auftretende oder langfristig fortschreitende Krankheiten (z.B. COPD, Multiple Sklerose, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz oder rheumatische Erkrankungen wie Gicht oder Osteoporose). Aber auch psychische Ursachen können dazu führen, dass ein Mensch nicht länger in der Lage ist, seinen Alltag selbst zu bewältigen, bekannte Störungen bzw. Krankheiten des Nervensystems sind etwa Altersdepression, Demenz und Parkinson.
Was können Betroffene und Angehörige tun?
Im Akutfall, etwa nach einem schweren Schlaganfall oder Herzinfarkt wird die zuständige Sozialstation einer Klinik Betroffene und Angehörige dabei unterstützen, schnellstmöglich Pflegebedürftigkeit festzustellen, einen entsprechenden Pflegegrad zu beantragen und Leistungen der zuständigen Pflegekasse in Anspruch zu nehmen.
Nicht immer jedoch sind Betroffene schlagartig pflegebedürftig. Häufig sinkt die Alltagskompetenz Betroffener eher sukzessive als punktuell. Ein erster Schritt vor dem Antrag auf Anerkennung der Pflegebedürftigkeit kann darum ein über mehrere Wochen geführtes Alltagsprotokoll sein, das verbleibende Fähigkeiten und vorliegenden Unterstützungsbedarf nach Bereichen aufführt. Je häufiger und intensiver eine Person auf Unterstützung angewiesen ist, desto wahrscheinlicher ist, es dass sie pflegebedürftig ist.

Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, mit behandelnden Ärzten oder einer Pflegeberatungsstelle darüber in Austausch zu treten, inwieweit sie einen Antrag auf Pflegeleistungen für sinnvoll und geboten halten. Kommen Betroffener, Angehörige und behandelnde Ärzte überein, dass Handlungsbedarf besteht, kann ein Antrag auf Pflegeleistungen bei der zuständigen Pflegekasse gestellt werden (mehr dazu auch in unserem Artikel, wie Sie einen Pflegegrad beantragen können).
Voraussetzung für die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit ist der Antrag eines betroffenen Versicherten oder eines Bevollmächtigten. Im Anschluss einen Antrag auf Pflegeleistungen wird der Hilfebedarf des Betroffenen im Rahmen der medizinischen Begutachtung festgestellt. Liegt Pflegebedarf vor, wird die Pflegeversicherung den Betroffenen ihm einen Pflegegrad zusprechen, der dem Grad seines Unterstützungsbedarfs entspricht.
Wie wird die Pflegebedürftigkeit einer Person festgestellt?
Wenn Betroffene, Ärzte oder pflegende Angehörige einen Pflegegrad beantragen, wird ein medizinischer Gutachter mit der Einschätzung des Gesundheitszustands beauftragt. Der Gutachter stellt anhand fester Richtlinien den individuellen Pflegebedarf des Betroffenen fest. Hierzu verschafft er sich durch einen Besuch beim Versicherten einen Begriff vom Zustand des Antragstellers. Grundlage zur Beurteilung sind sechs Einzelbereiche zur Überprüfung des Individualzustands, der im Rahmen des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) ermittelt wird.
Mit dem neuen Begutachtungsmodell, das die Grundlage für die Einstufung in die Pflegegrade 1 bis 5 bildet, wurden sechs Teilbereiche zur Begutachtung etabliert:
- Mobilität: Wie selbständig ist der Begutachtete in puncto Beweglichkeit?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kommt der Antragsteller allein im Alltag zurecht?
- Liegen Auffälligkeiten im Verhalten oder psychische Probleme vor?
- Kann sich der Antragsteller selbständig versorgen und sich um die eigene körperliche Hygiene kümmern?
- Bestehen krankheits- oder therapiebedingte Belastungen und kann der Antragsteller sie bewältigen?
- Pflegt der Begutachtete einen selbstbestimmten Alltag und soziale Kontakte?
In die Feststellung des Pflegebedarfs fließen auch medizinische Unterlagen wie Krankheitsberichte, ärztliche Befunde oder Atteste, sowie Unterlagen ambulanter Pflegedienste ein. Diese Unterlagen sollten Betroffene oder Angehörige beim Besuch des Gutachters bereithalten. Auf Basis aller gewonnen Informationen fertigt der beauftragte Gutachter eine Beurteilung an, die er an die Pflegekasse übermittelt. Die Einschätzung des Gutachters dient der Pflegekasse als Entscheidungsgrundlage, ob und welchen Pflegegrad sie ggf. vergibt. Sobald die Pflegekasse über Anerkennung oder Ablehnung des Pflegegrades entschieden hat, informiert sie den Antragsteller. Mehr dazu in unserem Beitrag “MDK-Begutachtung vorbereiten”.
Wer kann Pflegeleistungen beantragen?
Einen Antrag auf Pflegeleistungen können die Betroffene oder bevollmächtigte Angehörige bei der Pflegekasse stellen. Da die Pflegekassen an die Krankenversicherungen angegliedert sind, können Sie sich entweder zunächst telefonisch oder schriftlich an den zuständigen Ansprechpartner von der Krankenversicherung wenden.
Diese Pflegegrade werden zuerkannt
Bis 2016 galt in der Pflege das System der Pflegestufen: Pflegestufe 1, Pflegestufe 2 und Pflegestufe 3, in die Pflegebedürftige mit alters- oder krankheitsbedingtem Hilfebedarf eingestuft wurden. Psychische oder kognitive Einschränkungen wurden nach dem alten System von der Pflegeversicherung nur unzureichend berücksichtigt. Patienten mit Demenz oder Depressionen hatten so bei der Einschätzung häufig das Nachsehen.
Dieser Missstand wurde mit dem Pflegestärkungsgesetz II behoben, seither gilt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, unter dem auch Betroffene mit psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen Chancen auf einen Pflegegrad haben, der ihren Anforderungen entspricht. Ausführliche Informationen zu Voraussetzungen, Bedingungen und Leistungen bei Pflegegrad 1, Pflegegrad 2, Pflegegrad 3, Pflegegrad 4 und Pflegegrad 5 finden Interessierte in unseren Überblicksartikeln.

Gesetzliche Grundlagen im SGB XI
Wann eine Person als pflegebedürftig gilt, ist im SGB XI in §§ 14 und 15 definiert. Hier sind die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen nachweislich Pflegebedarf besteht. So gelten Menschen, die in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt und für mindestens sechs Monate auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind, als pflegebedürftig – mit einem Kriterienkatalog wird der Grad der Pflegebedürftigkeit näher festgestellt.
Definition nach § 14 Abs. 1 SGB XI:
„Pflegebedürftig […] sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.“
In unserem Beitrag Gesetze zur Pflege: Die rechtlichen Grundlagen erfahren Sie, welche Paragraphen die wichtigsten Fragen rund um die Pflege regeln.
Wer zahlt bei Pflegebedürftigkeit?
Ist Pflegebedürftigkeit verbindlich festgestellt und ein Pflegegrad zuerkannt worden, haben Betroffene Anspruch auf vielfältige Leistungen der für sie zuständigen Pflegekasse - von finanziellen Zuwendungen wie Pflegegeld oder Pflegesachleistungen über Pflegehilfsmittel bis hin zur Unterstützung zur Wohnraumanpassung im Rahmen des barrierefreien Bauens und Wohnens. Erfahren Sie dazu auch mehr in unseren Ratgebern zur Pflege zuhause und zum Pflegeheim.