Wann ist eine Unfall­versicherung sinnvoll?

von Franziska Saß
29.05.2020 (aktualisiert: 04.02.2021)
Das Wichtigste in Kürze:
  • Bei der Unfall­versicherung wird zwischen der gesetzlichen und der privaten Unfall­versicherung unterschieden.
  • Gesetzlich sind alle Arbeitnehmer versichert, allerdings nur für Unfälle, die auf der Arbeit oder auf dem Arbeitsweg passieren.
  • Auch Schüler, Studenten, viele Ehrenamtliche und Arbeitslose sind innerhalb eines festgelegten Tätigkeitsbereichs gesetzlich abgesichert.
  • Besonders Selbstständige, die nicht gesetzlich versichert sind aber auch Angestellte mit gefährlichen Hobbys sollten zusätzlich eine private Unfall­versicherung abschließen.

Unfall­versicherung: Sinnvoll oder nicht?

Die gesetzliche Unfall­versicherung sichert Arbeitnehmer und auch viele andere Personen bei Unfällen im Tätigkeitsumfeld ab. Versicherte können sich freuen, denn sie zahlen für den Versicherungsschutz keinen Cent – die Kosten werden vom Arbeitgeber, sozialen Trägern oder der öffentlichen Hand übernommen. Die Krux: Nur ein Bruchteil der Unfälle passiert auf der Arbeit oder bei einer versicherten Tätigkeit. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind nur etwa 30 Prozent der jährlichen Unfälle in Deutschland Arbeitsunfälle. Der deutliche größere Anteil entfällt auf Tätigkeiten in der Freizeit und im Haushalt – und ist damit nicht von der gesetzlichen Unfall­versicherung abgedeckt. Wer also rundum abgesichert sein möchte, sollte eine zusätzliche private Versicherung in Betracht ziehen. Bei Selbstständigen und Freiberuflern besteht besonderer Bedarf. Denn sie haben keinen Anspruch auf gesetzliche Absicherung.

Wer ist gesetzlich unfallversichert?

Angestellte sind über die gesetzliche Unfall­versicherung abgesichert. Sie sind allerdings nicht die Einzigen, die gesetzlich Schutz bekommen. Viele andere Gruppen sind ebenfalls versichert, wenn auch nicht über die Deutsche Gesetzliche Unfall­versicherung (DGUV), sondern teilweise über andere Träger, wie z. B. die Pflege­versicherung. Grundsätzlich abgesichert sind:

  • Angestellte
  • bestimmte ehrenamtlich tätige Personen (z. B. ehrenamtliche Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr)
  • Personen, die im Interesse der Allgemeinheit tätig sind, wie z. B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen, Ersthelfer, Blut­spender, Zeugen, Schöffen
  • Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durch anerkanntes Pflege­personal betreut werden
  • Schüler und Studierende in Schulen und Hochschulen
  • Personen in der beruflichen Aus- und Fortbildung
  • Personen, die in der Landwirtschaft arbeiten, auch selbstständig
  • Personen, die häusliche Pflege leisten
  • Arbeitslose, die auf Aufforderung der Arbeitsagentur die Agentur oder eine andere Stelle aufsuchen
UnGegen Arbeitsunfälle sind Arbeitnehmer über die gesetzliche Unfallversicherung versichert
Die gesetzliche Unfall­versicherung sichert Arbeitnehmer gegen die finanziellen Folgen eines Unfalls ab.

Eine vollständige Liste aller Versicherten finden Sie in §§ 2, 3 und 6 des siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII). Wer gesetzlich versichert ist, ist bei allen Unfällen in seinem Tätigkeitsbereich und auf dem Weg dahin oder auf dem Weg nach Hause geschützt. Er ist auch dann abgesichert, wenn ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause passiert – selbst, wenn sie für eine Fahrgemeinschaft einen Umweg gemacht haben oder um die Kinder zur Schule zu bringen. Ebenfalls abgedeckt sind Unfälle bei Betriebsausflügen, beim Betriebssport oder Betriebsfeiern. Das gilt auch für Versicherte, die keine Arbeitnehmer, sondern zum Beispiel Studenten, Schüler oder Arbeitslose sind. Auch sie sind bei Wegeunfällen abgesichert.

Diese Leistungen bietet Ihnen die gesetzliche Unfall­versicherung

Haben Sie einen Unfall auf der Arbeit oder auf dem Weg, muss dieser der Unfall­versicherung gemeldet werden. Anschließend haben Sie Anspruch auf die folgenden Leistungen:

Medizinische Behandlung: Statt der Kranken­versicherung übernimmt bei einem Unfall die gesetzliche Unfall­versicherung die Kosten für die Behandlung durch einen Arzt. Außerdem zahlt sie Verbandsmaterial, Medikamente und weitere Heilmittel, sowie Rehabilitation und Kuraufenthalte.

Pflege­geld: Verletzte, die durch einen Unfall pflegebedürftig werden, bekommen von der Versicherung Geld, um die Pflege zu bezahlen. Die Versicherung zahlt je nach Pflege­grad in den alten Bundesländern einen Betrag zwischen 374 Euro und 1.491 Euro. In den neuen Bundesländern sind es 354 Euro bis 1.423 Euro.

Verletztengeld: Entsteht dem Verletzten ein Verdienstausfall, können Versicherungen ein Verletztengeld zahlen. Dieses beträgt 80 Prozent des Bruttolohns und wird höchstens 78 Wochen bezahlt.

Unfallrente: Wer nach dem Unfall mindestens 26 Wochen nicht mehr arbeiten gehen kann, bekommt von der Versicherung eine Rente. Voraussetzung dafür ist die Verminderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 Prozent.

Hinterbliebenenrente: Stirbt ein Versicherter durch einen Unfall, bekommen die Hinterbliebenen eine Rente. Zusätzlich zahlt die Versicherung die Beerdigung.

Unfallopfer wird von Sanitätern versorgt
Ein Unfall passiert schneller als Sie denken. Die meisten Unfälle ereignen sich in der Freizeit. Wer sehr aktiv ist und beispielsweise eine gefährliche Sportart ausübt, ist gefährdeter als andere.

Für mehr Absicherung ist die private Unfall­versicherung sinnvoll

Wer nicht nur während der Arbeit, sondern auch in der Freizeit versichert sein möchte, sollte eine private Unfall­versicherung in Betracht ziehen. Sie zahlt bei einem Unfall die sogenannte Invaliditätsleistung. Dabei handelt es sich um einen prozentualen Betrag der gesamten Versicherungssumme, der dem Verletzten ausgezahlt wird, wenn er beispielsweise eine Hand oder ein Bein verliert. Je größer der Schaden, desto höher die Summe. So bekommen Menschen, die einen Finger verloren haben, z. B. einen Betrag von 5 Prozent der Versicherungssumme, während jemand, der einen Arm verliert bis zu 70 Prozent bekommt. Bei einer Versicherungssumme von 100.000 Euro wären das 5.000 und 70.000 Euro.

Wann leistet die Versicherung?

In welchen Fällen die Versicherung zahlt, unterscheidet sich bei der gesetzlichen und der privaten Unfall­versicherung.

Gesetzliche Unfall­versicherung

Die Vorgaben für die gesetzliche Unfall­versicherung sind im siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) festgelegt. Versicherte werden sowohl bei einem Unfall als auch bei einer Berufskrankheit entschädigt. Hier macht es keinen Unterschied, ob der Versicherte auf der Arbeit von der Leiter fällt oder durch häufiges Knien einen Knieschaden erleidet. Einzige Voraussetzung bei Berufskrankheiten: Die Krankheit muss in der Berufskrankheiten-Verordnung beschrieben sein oder nach neuestem Kenntnisstand eindeutig auf den Beruf zurückzuführen sein. Der Nachweis, dass die Krankheit durch den Beruf entstanden ist, ist in der Regel allerdings sehr schwierig. Generell kommt die gesetzliche Unfall­versicherung überwiegend für Unfälle und seltener für Berufskrankheiten auf. Wer einen Unfall hat und diesen rechtzeitig meldet, bekommt aber in der Regel die entsprechenden Leistungen. Auch wenn körperliche und/oder psychische Folgeschäden entstehen, zahlt der Versicherer.

Private Unfall­versicherung

Die private Unfall­versicherung leistet nur, wenn tatsächlich ein Unfall vorliegt. Ein Versicherter wird entschädigt, wenn er unerwartet und unfreiwillig durch äußere Einwirkungen eine Verletzung erleidet. Damit sind Krankheiten ausgeschlossen. Folgeschäden eines Unfalls sind hingegen überwiegend abgedeckt. Sind diese körperlich, leistet die Versicherung auf jeden Fall dafür. Bei psychischen Schäden, wie z. B. eine Angststörung, die durch einen Unfall entstanden ist, leisten nicht alle Versicherungen. Es lohnt sich also, die entsprechenden Policen vor Abschluss genau auf entsprechende Klauseln zu prüfen, um auch in diesem Fall Geld zu bekommen.

Wichtig: Die gesetzliche und die private Unfall­versicherung leisten nur, wenn der Versicherte oder Mitversicherte, z. B. Kinder, einen Schaden erleiden. Hat der Versicherte einen Schaden bei einer anderen Person verursacht, kommt die Haftpflicht­versicherung dafür auf.

Für wen ist eine private Unfall­versicherung sinnvoll?

Generell bietet die private Unfall­versicherung jedem zusätzlichen Schutz, da sie ihn auch in der Freizeit absichert. Trotzdem ist nicht für jeden eine entsprechende Absicherung notwendig. Über den Abschluss einer privaten Unfall­versicherung sollten vor allem Personen nachdenken, die nicht gesetzlich versichert sind oder auch die, die ein erhöhtes Unfallrisiko haben.

Selbstständige und Freiberufler

Wer selbstständig oder freiberuflich arbeitet, ist nicht gesetzlich unfallversichert, sondern versicherungsfrei. Er kann also frei entscheiden, ob er eine Unfall­versicherung abschließt. Empfehlenswert ist das auf jeden Fall, da der gesetzliche Basisschutz, den viele andere in Anspruch nehmen können, fehlt. Zusätzlich profitieren Selbstständige und Freiberufler dann davon, dass die Unfall­versicherung nicht nur das Arbeitsumfeld, sondern auch den privaten Bereich abdeckt. Der Abschluss einer privaten Versicherung ist allerdings nicht der einzige Weg für Selbstständige und Freiberufler, sich finanziell für den Fall der Fälle abzusichern. Sie können auch in eine Berufsgenossenschaft eintreten und sich über diese versichern lassen. Allerdings leistet die Versicherung dann nur bei Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Wegeunfällen.

Sportler

Sport ist vielleicht nicht gleich Mord, aber immerhin eine Tätigkeit, die mit einem hohen Verletzungsrisiko einhergeht. 1,5 Millionen Sportunfälle gibt es laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jedes Jahr. Gerade wer besonders gefährliche Sportarten, wie Fallschirmspringen, Bergsteigen, Tauchen oder auch Rennradfahren betreibt, sollte sich für den Ernstfall absichern.

Beamte

Beamte sind bei Unfällen über die Beamtenversorgung abgesichert. Sie bekommen dann die sogenannte Unfallfürsorge, die z. B. die Kostenübernahme für Heilverfahren, ein Unfallruhegehalt oder die Hinterbliebenenversorgung, sowie eine Einmalzahlung umfasst. Auch hier sind allerdings nur Arbeitsunfälle abgesichert, weshalb der Abschluss einer zusätzlichen privaten Unfall­versicherung für die Freizeit sinnvoll sein kann.

Kinder

Kinder haben ein erhöhtes Unfallrisiko, sind aber nur dann versichert, wenn sie in einer Kindertagesstätte oder bei einer anerkannten Betreuungsperson sind. In der Freizeit und auch bevor ein Kind in den Kindergarten kommt, besteht kein gesetzlicher Versicherungsschutz. Eltern sollten also überlegen, ob sie ihr Kind zusätzlich schützen möchten. Möglich sind auch Policen für die Eltern, in denen Kinder mitversichert werden – so besteht Schutz für die ganze Familie. Achtung: Kinder werden nicht automatisch mitversichert. Soll die Versicherung auch für Kinder greifen, muss das explizit in der Police aufgeführt sein.

Unfallversicherung sinnvoll für Senioren: Frau hilft gestürztem Senior auf
Senioren profitieren besonders von der Unfall­versicherung, wenn es um die Organisation von Pflege­personal und Haushaltshilfen geht.

Senioren

Auch Senioren haben schnell einen Unfall. Doch nicht nur aus diesem Grund ist der Abschluss einer Unfall­versicherung sinnvoll. Gerade ältere Menschen, die allein leben und keine Verwandten oder Freunde im näheren Umfeld haben, die im Notfall helfen können, profitieren von der Versicherung. Spezielle Senioren-Unfall­versicherungen decken nicht nur die entstehenden Kosten ab, sondern helfen den Betroffenen auch dabei, Haushaltshilfen und Pflege­personal zu organisieren. Wer in jungen Jahren bereits eine Pflege­zusatz­versicherung abgeschlossen hat, benötigt allerdings in vielen Fällen keine zusätzliche Senioren-Unfall­versicherung, da die Pflege­versicherung die entsprechenden Leistungen bereits enthält.

Unfall­versicherung: Sinnvoll trotz Berufsunfähigkeits­versicherung?

Wer bereits eine Berufsunfähigkeits­versicherung hat, muss nicht zwingend eine private Unfall­versicherung abschließen. Denn die BU-Versicherung leistet in jedem Fall, in dem Sie berufsunfähig werden – ungeachtet der Hintergründe, und je nach Angebot auch bereits bei Vorliegen von vorübergehender Arbeits­unfähigkeit als Arbeits­unfähigkeits­versicherung. Die private Unfall­versicherung leistet, wie oben beschrieben, nur im Falle eines Unfalls und nicht, wenn Sie erkranken und berufsunfähig werden. Auch die Zahlen sprechen für die Berufsunfähigkeits­versicherung: Denn nur rund 7,8 Prozent aller Berufsunfähigen im Jahr 2019 erlitten einen Unfall. Alle anderen und damit über 90 Prozent wurden durch Krankheiten arbeitsunfähig. Somit ist die Absicherung über eine BU-Versicherung deutlich sinnvoller als die alleinige Absicherung über die Unfall­versicherung. Wer beides abschließt, gibt in der Regel zu viel Geld aus.

Auch wenn die BU-Versicherung im Vergleich besser abschneidet, kann eine Unfall­versicherung sinnvoll sein. Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen keine Berufsunfähigkeits­versicherung abschließen können, können sich so zumindest teilweise absichern.

Tipp: Was Sie zur Berufsunfähigkeits­versicherung wissen müssen und was bei Abschluss der BU-Versicherung zu beachten ist, erfahren Sie in unserem Ratgeber!

Quellen

Franziska Saß

Franziska Saß ist seit April 2020 Content Managerin bei Afilio. Die studierte Journalistin hat über mehrere Jahre frei für verschiedene Tageszeitungen geschrieben und war anschließend in verschiedenen Unternehmen im Content Management tätig. Bei Afilio schreibt sie vor allem Ratgeberartikel zu wichtigen Vorsorge­dokumenten, Versicherungen und Pflege.

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