Pflegekräfte: Studien belegen kritische Arbeitsbedingungen


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Die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verschlechtern sich aufgrund Corona zunehmend
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Viele Pflegekräfte sind nicht nur physisch, sondern auch psychisch überfordert
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Abwanderung in andere Berufe sowie Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden
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Regierung beschließt Pflegereform mit Tarifbezahlung und Zuschüssen für die Pflegeversicherung
Seit Jahren machen Pflegekräfte auf die schwierigen Arbeitsbedingungen in der Pflege aufmerksam und fordern eine bessere Bezahlung in Pflegeberufen sowie mehr Anerkennung ihrer Arbeitsleistungen.
Die Corona-Krise befeuert die Debatte und zeigt noch einmal deutlich, welche Missstände in der Pflege bestehen. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass sich die Probleme in der Pflege zunehmend verschlechtert haben. Wir geben Ihnen einen Überblick über die aktuelle Situation.
Status Quo
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fehlen aktuell weltweit bis zu zwei Millionen Arbeitskräfte in Gesundheitsberufen. Während der Anteil an Menschen im hohen Alter in unserer Gesellschaft stetig steigt, bleibt der Nachwuchs in der Pflege aus.
Was ist die Ursache?
Studien zum Thema Arbeitsbedingungen in der Pflege zeichnen alle das gleiche Bild: Die Arbeitsbelastung ist zu hoch, es mangelt an Mitarbeitern und Anerkennung.
Zusätzlich ist die Bezahlung niedrig, was zur Folge hat, dass die Motivation der Menschen in Pflegeberufen zunehmend nachlässt und viele den Beruf aufgeben möchten.
Studieninhalte
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befragte 2018 zusammen mit ver.di knapp 1.900 Pflegekräfte bundesweit zu ihren Arbeitsbedingungen und der generellen Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Die Befragung ergab, dass viele Pflegerinnen und Pfleger mit dem Gedanken spielen, ihren Beruf zu verlassen. Und das, obwohl die meisten ihn weniger als einen Job und viel mehr als ihre Berufung ansehen.
Dabei geht es den Pflegekräften keineswegs nur um einen Bonus oder um Prämien, sondern vielmehr darum, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und damit für ausreichend Nachwuchs zu sorgen. Denn das Fehlen von qualifiziertem Personal führt maßgeblich zu der aktuell erhöhten Arbeitsbelastung.
Laut einer weiteren Studie „Time to Care“ von Deloitte in 2017 erhöhte sich die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte in den letzten Jahren erheblich. Über 20 Prozent der Menschen in Pflegeberufen berichten von einem Anstieg der Patientenzahlen und damit einhergehend der Arbeitsbelastung.
Aufgaben & Anforderungen
Die Aufgaben in der Pflege sind vielfältig. Pflegerinnen und Pfleger kümmern sich nicht nur um das Wohlergehen der pflegebedürftigen Menschen, sie führen auch medizinische Behandlungsschritte durch, stehen als erster Ansprechpartner und Ersatz für Angehörige zur Verfügung, erledigen administrative Aufgaben und behalten den Überblick über die verschiedenen Krankheitsbilder und Gesundheitszustände ihrer Patienten. Neben Tätigkeiten der Grundpflege wie Körperpflege und Nahrungsbereitstellung kümmern sie sich auch um die Verabreichung von ärztlich verschriebenen Medikamenten und sorgen für ausreichend Bewegung der Patienten sowie gemeinsame Aktivitäten.
Findet die Pflege in Kliniken statt, gehören neben der Grundpflege auch eine Vielzahl medizinischer Aufgaben zum Tätigkeitsbereich der Pflegekräfte. Zum Beispiel Wunden versorgen, Bandagen wechseln und Medikamente verabreichen.
Die Aufgaben sind anspruchsvoll und zeitintensiv.
Laut Studie geben 46% der Befragten an, sehr häufig Abstriche bei der Qualität ihrer Arbeit machen zu müssen, um das Pensum überhaupt zu schaffen.
Arbeitsbedingungen
Menschen, die in der Pflege arbeiten weisen eine hohe intrinsische Motivation auf. Weil ihnen ihre Patienten am Herz liegen, nehmen sie lange Arbeitszeiten und körperliche Belastungen bis zu einem gewissen Maß in Kauf. Denn 94% der Studienteilnehmer möchten mit ihrem Beruf einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten und erhoffen sich dementsprechend ein hohes Ansehen, zeigt die Studie der DGB.
Da die Anforderungen und damit auch die Belastungen in diesem Arbeitsbereich aber immer weiter wachsen, tendieren viele Pflegekräfte dazu, ihren Beruf aufzugeben. Neben der Tatsache, dass sie ihre Patienten nicht mehr so umfangreich versorgen können, wie sie es gerne tun würden, sind viele auch körperlich am Ende. Fast die Hälfte der Befragten fühlt sich bei der Arbeit gehetzt und unter dem ständigen Druck, mehr Arbeit in der gleichen Zeit leisten zu müssen.
Die durch fehlendes Personal resultierende ständige Verfügbarkeit sowie die Ansteckungsgefahr durch Corona lasten auf den Schultern der Pflegerinnen und Pfleger.
„Von den Bewohner:innen bekommt man total viel Dankbarkeit zurück. Das ist der Grund, warum ich trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen auch nach 25 Jahren noch in der Pflege bin. Es muss aber für diese gesellschaftlich wichtige Arbeit auch finanziell eine Wertschätzung geben. Überall sollte nach Tarif bezahlt werden.“
Tanja Döhring, Altenpflegerin gegenüber DGB und ver.di
Entlohnung
Gemessen an der geleisteten Arbeit und der psychischen sowie körperlichen Belastung des Pflegepersonals, zeigen sich die Gehälter in diesen Berufen unterdurchschnittlich. Zu dem Ergebnis kommt die Deloitte Studie im internationalen Vergleich. Über 70 Prozent der Pflegekräfte bundesweit finden das eigene Gehalt nicht angemessen für die erbrachte Leistung.
Mit der Corona Krise kommt Bewegung in Sachen Bezahlung von Pflegekräften. Die Arbeitsbedingungen und die psychische Belastung der Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen rückt zuletzt immer mehr in den Fokus der Medien. Die Bundesregierung reagiert nun und bewilligt eine neue Pflegereform.
Ab dem 1. September 2022 sollen alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden und das, ohne dass pflegebedürftige Menschen deshalb stärker finanziell belastet werden.
Außerdem plant die Regierung gerade in der Langzeitpflege Neuerungen, die besonders Menschen entlasten sollen, die langfristig auf Hilfe angewiesen sind.
Tabelle finanzielle Entlastung in der Langzeitpflege
Pflegebedürftige mit vollstationärer Pflege | Entlastung durch Reform in Euro |
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Ab dem 1. Monat | 45,55 |
Mit mehr als 12 Monaten | 227,75 |
Mit mehr als 24 Monaten | 409,95 |
Mit mehr als 36 Monaten | 637,70 |
Ab 2022 erhält die Pflegeversicherung einen pauschalen Bundeszuschuss in Höhe von jährlich eine Milliarde Euro. Außerdem wird der Beitragszuschlag für Personen ohne Kinder um 0,1 Prozentpunkte angehoben, hierdurch würde die Pflegeversicherung zusätzlich 400 Mio. Euro im Jahr erhalten.